Der hangende [hängende] Regenschirm

Zu Madau im Lechthal [Lechtal] lebte ein altes Weiblein, das nicht imstande war, sonntags den weiten Weg nach Elbigenalp zur Kirche zu machen, denn damals bestand in Bach noch keine Seelsorge, und die "reiche Kirche' im Madauthal [Madautal] war schon lange versunken. Deshalb berief es der Pfarrer von Elbigenalp zu sich, machte ihm Vorwürfe und fragte es, wie viel es heut wegauswärts gebetet habe. Sie war so alt, dass sie nicht imstande gewesen war, auf dem ganzen langen Wege mehr als drei Vaterunser zu beten. Dies sagte sie dem Pfarrer, der es ihr aber nicht glauben wollte.

"Wenn ich wahr geredet," entgegnete das Weibele, "so soll dieser Regenschirm frei in der Luft schweben."

Sie hob den Schirm in die Höhe, zog die Hand zurück, der Schirm hieng frei.

Quelle: Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, gesammelt und herausgegeben von Johann Adolf Heyl, Brixen 1897,
Nr. 6, S. 14