Das Heilige-Baum-Schloß Version II.
An der Stelle des Heiligen-Baum-Schlosses, welches der heilige Valentin
verwünscht hatte, wölbte sich ein großer grüner Hügel,
und zwar unweit des Heiligen Baumes. Da mit dem Heidenschlosse auch ungeheure
Schätze versanken, so versuchte die Habgier, teils durch geheime
Künste und Zaubermittel, teils durch Nachgrabungen in den Besitz
dieser Schätze zu gelangen. Ein Mann aus Nauders vergrub aber dadurch,
daß er nichts ergrub, sein ganzes Vermögen. Er sagte, der Hügel
sei ein Hünengrab, und zwar von einem König, es muß viel
Geld darinnen liegen. Freilich war nicht selten magischer Lichtschimmer
auf dem Hügel wahrgenommen worden, und eine glänzende Schlange
hatte sich blicken lassen. Gold- und Silberstücke hatte man klingeln
gehört. Forscher sehen im Heiligen Baum, der auch in mehreren anderen
Orten Tirols verehrt wird, einen der seltenen Überreste heidnischen
Baumkults. Hiefür sprächen der Name, die Sage von den Blutstropfen
und die heilige Scheu des Volkes vor demselben. Es sei sicher, daß
beim Heiligen Baum eine Gerichts- und Opferstätte der Heiden war,
auch die Toten begruben sie dort. Bezüglich des heiligen Baumes von
Nauders wird noch hinzugefügt, es sei anzunehmen, daß die Halde,
wo der Heilige Baum steht und wo kein Felsen ist, künstlich gemacht
und ein Hünengrab sei.
Quelle: Dr. Hermann v. Tschiggfrey, Nauders am Reschen-Scheideck, Tirol, Innsbruck 1932, S. 44f.