Der Poppeledruck
Wenn man den Teufel ruft, kommt er. Das musste eine Frau in Silz erfahren, die den Teufel öfter im Mund führte.
Als einmal ihr Kleinkind wieder einmal mit dem Schreien nicht aufhören wollte, drohte sie erbost: "Wenn du nicht still bist, soll dich der Teufel holen," ... nahm das Kind und legte es auf die Bank vor dem Haus.
Ehe die Frau nun bemerkte, was wirklich passierte, war das Kind wirklich fort. Ein Fremder, so meinte sie, habe es mitgenommen. Vom Fenster der Stube aus konnte sie gerade noch beobachten, wie ein Mann zum Wasserfall hinaus eilte.
"Mein Kind wird entführt!", rief die Frau und lief von der Armengasse zum Kirchplatz.
Dort sammelten sich um die verzweifelte Frau bald alle Nachbarn und hielten Rat.
Mehrere Männer holten Gewehre. Mutige Frauen rückten mit Mistgabeln und langen Küchenmessern aus. Querfeldein rannten sie zum Wasserfall, wo sie den Kindesentführer vermuteten.
Sie suchten den Waldrand ab, eine Gruppe hinab zum Kochlach, die andere hinauf bis zur oberen Mühle.
Der Herr Pfarrer, dem die Geschichte von der Kindesentführung schon von allem Anfang an unheimlich vorgekommen war, hatte inzwischen einen Pater vom Stift Stams um Hilfe gebeten.
Der Ordensmann kam auch bald. Er hatte ein großes Kreuz und Weihwasser mitgebracht.
Prozssionskreuz aus der
Pfarrkirche hll. Petrus und Paulus, Silz
© Berit
Mrugalska, 26. Juni 2005
Die Leute sahen anfangs darin keinen Sinn.
Er ging aber keine Sekunde auf ihre Bedenken ein und verkündete: "Der Teufel ist in der Steingasse..."
Fünf Männer warteten keine weiteren Anweisungen ab und stürmten den schmalen Steig hinauf. Kurz darauf waren gellende Schreie der Männer zu vernehmen, dann aber nur mehr das Rauschen des Wasserfalls.
Den Pater schien das alles nicht zu berühren. Er betete. Er brachte die Frauen und Männer dazu, mit ihm einen Rosenkranz zu beten.
Dann stand er auf und verhieß: "In Gottes Namen gehen wir es an..."
Ein Jäger trug das Kreuz voraus, ein Schütze trug dem Pater den Weihwasserkessel.
Genau dort, wo der Steig nach Wolfsgruben abzweigt, lagen die fünf Männer, die so ungestüm vorausgeeilt waren.
Sie waren offensichtlich bewusstlos. Am höchsten Punkt der Steingasse hielt der Pater inne.
Nur wenige Meter weiter; auf dem Steig zum Kochlach stand der Leibhaftige.
Das Kind lag neben ihm auf einem Stein. Der Teufel trug ein grünes Jägergewand, seine Hörner waren unter einem spitzen Hut versteckt.
Als die drei Männer die Bocksfüße entdeckten, wären auch sie vor Schreck beinahe in Ohnmacht gefallen.
Der Pater sprengte Weihwasser nach allen Richtungen und rief dem Höllenfürsten zu: "Im Namen Jesu weich!"
Da war der Teufel verloren und verschwand unter Donnergrollen von einem Augenblick zum anderen.
Der Platz, an dem der Teufel das kleine Kind abgelegt hatte, ist heute noch genau auszumachen.
Die Silzer nennen ihn Poppeledruck.
Quelle: Einige Sagen aus unserer Umgebung, Johann Zauner, gesammelt in einem gemeinsamen Projekt der Volksschule Mötz und Voklsschule Silz, S. 8.