DAS FEURIGE ROß
Der Rofnerbauer ging einmal übers Gepatsch ins Kaunertal. Müde von der stundenlangen Bergwanderung, hatte er den Wunsch den Talweg hinaus bis Feichten zu reiten. Richtig sah er bald darauf ein schönes Roß dastehen. Der Rofnerbauer besann sich nicht lange und bestieg den Gaul und ritt fröhlich talaus. Da kamen sie zu einem Wegkreuz. Das Pferd blieb stehen und war mit keinem Mittel mehr zum Weitergehn zu bewegen. Es half kein freundliches Zureden, kein Schlagen, da fing der Reiter an zu fluchen: In Gottesnamen geh, du Teufelsvieh!" Da tat das Roß einen raschen Ruck, sodaß der Reiter am Boden lag. Als er aufschaute, sah er das Roß in feuriger Gestalt durch die Luft fliegen und hinter den Bergen verschwinden. Der Schrecken fuhr dem Bauern derart in die Glieder, daß er lange Zeit kein Wort reden konnte. Er getraute sich auch nie mehr bei der Nacht von Rofen nach Vent zu gehn.
Falkner, Christian, Sagen aus dem Ötztal, in: Ötztaler Buch (= Schlern-Schriften 229), Innsbruck 1963, S. 126
aus: Sagen und Geschichten aus den Ötztaler Alpen, Ötztal-Archiv, Innsbruck 1997