DER STADLGEIST

Daß man mit Geistern nicht spaßen darf, mußten einmal zwei mutwillige Schusterbuben erfahren. Am Eingang des Dorfes Ötzer Au stand ein Stadel; darin war ein Geist, der das Stadeltor nie geschlossen litt. Man konnte es verriegeln und zusperren wie oft und wie fest man wollte, nach der nächsten Nacht stand es immer sperrangelweit offen. Diese zwei Schusterbuben waren eines Abends auf dem Heimwege von der Stör und verabredeten sich, wenn das Tor wieder offen sei, es dem Geist zum Trotz wieder zu schließen. Richtig, als sie zum Geisterstadel kamen, stand das Tor wieder in aller Weite offen. Die beiden gingen voll Übermut auf den Stadel zu, doch kaum hatten sie das Tor erfaßt, fiel ein schwarzer Haufen von der Obertenne herab ihnen gerade auf die Hände. Sie bleiben bewußtlos liegen und waren dann lange Zeit schwer krank.

Falkner, Christian, Sagen aus dem Ötztal, in: Ötztaler Buch (= Schlern-Schriften 229), Innsbruck 1963, S. 172
aus: Sagen und Geschichten aus den Ötztaler Alpen, Ötztal-Archiv, Innsbruck 1997