DAS UNHEIMLICHE EHRENSTALLEN
Mitten im Wald oberhalb Sölden liegt eine Wiese, in der auch eine Taie (Alphütte) steht. Vor mehr als 100 Jahren lebte in dieser Hütte im Sommer ein Mann, der Kasper hieß. Zu ihm kam öfters in der Nacht ein schwarzes Kätzchen mit fürchterlich feurigen Augen. Es hüpfte zu ihm ins Bett, sodaß er fließen mußte. Die Katze war so unheimlich, daß dem Kasper gruselte und er sich nicht mehr in der Taie zu bleiben getraute. Doch das gespensterhafte Vieh war damit noch nicht zufrieden, sondern verfolgte den Kasper auf Schritt und Tritt fast bis zu den Häusern herunter. Die Gegend bei Ehrenstallen ist überhaupt recht unheimlich, Hütkinder sahen dort oft drei große, fürchterliche Männer mit niedrigen, eckigen Hüten auf. Jeder trug ein Gewehr in der Hand. Den Hirten wurde dabei immer sehr unheimlich zumute und sie liefen davon. Hirten und andere Leute hörten in Ehrenstallen öfters ganz unheimliche Geräusche. Niemand konnte genau sagen, was es ist. Die einen hörten Moos und dürres Reisig von den Bäumen herunterreißen, andere wieder hämmern, klopfen, singen und weinen, alles durcheinander. Niemand kann sagen, was das bedeutet.
Falkner, Christian, Sagen aus dem Ötztal, in: Ötztaler Buch (= Schlern-Schriften 229), Innsbruck 1963, S. 137
aus: Sagen und Geschichten aus den Ötztaler Alpen, Ötztal-Archiv, Innsbruck 1997