DER GEIST VON SCHRANEGG
Schranegg nennt man eine Bergmahd am Fuße des Schrankogels im hinteren Sulztale. Dort sei vor alten Zeiten einmal eine Sennhütte gestanden und drinnen habe ein wilder, grausamer Jäger gehaust. Der hat alle Fremden, die vorbeikamen, ausgeraubt und sie dann über den Kofl in den Bach hinabgeworfen. Doch der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Einmal stieg wieder ein Fremder den steilen Pfad hinauf gegen die Hütte und hinter ihm zwei bewaffnete Männer. Diese versteckten sich in der Nähe der Hütte und beobachteten genau, was der wilde Jäger tun werde. Und richtig stürzte er sich auf den Fremden, erschlug ihn mit einer gewaltigen Keule und warf den Zerschmetterten in den Wildbach hinab. Jetzt traten die beiden Versteckten vor und gingen auf den Mörder zu. Dieser sah sie, winkte ihnen freundlich, heraufzukommen. Als sie näher kamen, erhob er seinen Mordprügel und wollte auch diese beiden erschlagen. Der eine von beiden schoß jedoch schnell und traf den wilden Jäger in den Kopf. Lange Jahre später soll es in jener Hütte gegeistert haben. Um Mitternacht hörte man Poltern, wildes Herumlaufen und anderen Lärm. Das war so unheimlich, daß kein Mensch mehr sich in jener Sennhütte aufhalten wollte. Eine Lawine hat sie dann weggerissen über die Felsen in den Bach hinunter. Die Hütte wurde nicht mehr aufgebaut.
Falkner, Christian, Sagen aus dem Ötztal, in: Ötztaler Buch (= Schlern-Schriften 229), Innsbruck 1963, S. 155
aus: Sagen und Geschichten aus den Ötztaler Alpen, Ötztal-Archiv, Innsbruck 1997