EINE HEXE ALS FUCHS
In Niederthai, einem Hochtale bei Umhausen, wurden einmal den Bauern der Reihe nach die Hennen nächtlicherweile aus den Ställen gestohlen. Man kam darauf, daß der Dieb und Mörder ein Fuchs sei. Man legte sich auf die Lauer, man stellte Fallen, man schoß auf den Fuchs, aber gegen diesen Fuchs gab es scheinbar kein wirksames Mittel. Einige Jäger behaupteten fest, sie hätten auf den Fuchs geschossen und ihn getroffen, aber er sei trotzdem weitergelaufen und habe nicht einmal Blutspuren hinterlassen. Der Urgroßvater des langjährigen Längenfelder Frühmesser Christian Falkner ergriff das rechte Mittel. Er vermutete nämlich, daß dieser Fuchs eine verkleidete Hexe sei. Also nahm er eine geweihte Kugel, legte sich auf die Passe und schoß auf den Fuchs. Der aber war plötzlich verschwunden und niemand mehr hatte von der Stunde an den gefürchteten Fuchs gesehen oder von ihm etwas zu leiden gehabt. Später erfrug man, daß dieser Fuchs wirklich eine Hexe gewesen sei und daß sie nach dem Schuß mit der geweihten Kugel aus der Gegend habe verschwinden müssen und jenseits des Joches drüben auf einem Scheiterhaufen verbrannt worden sei.
Falkner, Christian, Sagen aus dem Ötztal, in: Ötztaler Buch (= Schlern-Schriften 229), Innsbruck 1963, S. 163 f.
aus: Sagen und Geschichten aus den Ötztaler Alpen, Ötztal-Archiv, Innsbruck 1997