DER PIPURGER SEE

Eines der schönsten Fleckchen des äußeren Ötztales ist der Pipurger See bei Ötz. Weitab vom Lärm des Tales liegt er einem Märchen gleich im tiefen, stillen Walde, umschattet von hochragenden Felsen. Auch um dieses herrliche Naturdenkmal rankt die Dichterin Sage ihren geheimnisvoll grünenden Kranz.

Wo dieser Gebirgssee seine Wellen schlägt, war vor Zeiten eine schöne Ebene mit einem stolzen Bauernhof und einer freundlichen Kapelle. Hof und Kapelle sind versunken, weil die dortigen Bewohner den Feiertag nicht heiligten. Sie waren so gottlos, daß sie am Hohen Frauentage (14. August) das Heu, das sie am vorigen Tage gemäht hatten, einführten. Als sie aber mit dem ersten großen Fuder in den Stadel kamen, wich plötzlich der Boden und der ganze Hof versank mit Mann und Maus.

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Andere erzählen, die reiche, stolze Pipurger Bäuerin habe ihr Büblein mit Weißbrot geputzt und wegen dieses Frevels ging der Hof unter.

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Andere wissen wieder, daß ein Schuster am Sonntag gearbeitet habe und dadurch den Fluch des Himmels herniedergezogen habe.

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Im See wohnt ein Drache, der öfters herauskroch und vom Berg herab zur Ache ging. Den Weg, den er nahm, sah man genau, denn das Gras wurde von seinem giftigen Atem ganz rot.

Falkner, Christian, Sagen aus dem Ötztal, in: Ötztaler Buch (= Schlern-Schriften 229), Innsbruck 1963, S. 169
aus: Sagen und Geschichten aus den Ötztaler Alpen, Ötztal-Archiv, Innsbruck 1997