Die Bärenfalle
Jedem, der sich vor dem Widum in Ochsengarten ein bisschen umschaut, wird die eigenartige Felswand, die mitten "im Walde" wie ein Märchenschloß geheimnisvoll und wuchtig aufragt, die Aufmerksamkeit fesseln.
Dort soll sich laut Überlieferung folgendes Ereignis zugetragen haben:*)
Ein Silzer Bauer war auf dem Weg zu den Silzer Alpen.
Über das Sattele kommend rastete er in der Nähe der hohen Wand.
Ein kurzes Nickerchen soll sich der Müde gegönnt haben.
Ein unheimliches Brummen weckte ihn aber unversehens.
Erst glaubte er zu träumen, als er sah, wie ein Bär gerade den Inhalt seines Rucksackes auseinander klaubte und hastig am Kuchenstück naschte, das ihm seine Frau als Wegzehrung mitgegeben hatte.
Panik übermannte den Bauern. Er rannte so schnell er konnte in Richtung Marlstein.
Der Bär ließ nun zwar vom Kuchen ab, verfolgte aber den Aufgeschreckten.
Der Bauer spürte bald, dass ein Davonrennen aussichtslos war.
Er kletterte daher auf einen einzeln aufragenden Lärchenbaum und glaubte, dort m Geäst ein geeignetes Versteck zu finden. Der Verfolger ließ sich mit dieser List aber och nicht abschütteln.
Auch er krallte sich hinter ihm am Stamm hinauf.
Der Gejagte schrie um Hilfe, betete, fluchte - alles sozusagen auf einmal, aber ohne den erwünschten Erfolg.
Das zottlige Raubtier rückte dem Silzer Bauern immer näher.
In seiner Panik schlüpfte er aus seiner Juppe*), das Kleidungsstück glitt ihm aus den Händen.
Der Bär verfolgte diesen Vorgang. Gierig schnappte er nach der Juppe, wohl in der Meinung eine Beute zu erhaschen.
Dabei verlor er aber den Halt und stürzte über die Felswand
in die Tiefe.
Zerschmettert fand man ihn am Fuße der Absturzstelle, die seither
Bärenfalle heißt.
*) Juppe (Silzer Dialekt) = Joppe, eine kurze
Jacke.
Quelle: Einige Sagen aus unserer Umgebung, Johann Zauner, gesammelt in einem gemeinsamen Projekt der Volksschule Mötz und Voklsschule Silz, S. 17, Vgl.: Chronik der Volksschule Ochsengarten. Sagen der Heimat, Ochsengarten und Umgebung. Von Rudolf Klotz. (Anmerkung: Klotz war dort in den Schuljahren 1949/50, 1950/51, 1953/54, 1954/55, 1955/56, 1956/57 als Lehrer tätig. Er publizierte diese Sage in der Kühtaier Gästezeitung, Nr. 1, Jänner 1977, S. 2,3