DIE TEUFELSPLATTE BEIM GALTÜR

Hoch oben im Paznauntal liegt das Dorf Galtür. Von hier zieht sich gegen Süden, wo die glitzernden Eisriesen der Silvretta ins Land herabschauen, das Jamtal mit seinen saftigen, fetten Weiden. Mitten in den grünen Matten aber kann man einen kahlen Felsblock sehen, die Teufelsplatte; um die einst der Teufel sein Spiel trieb und eine Seele gewann. Ein viele Zentner schwerer Eisenring, den der Teufel selbst angefertigt hat, soll in dem Steinblock drinnen stecken.

Zwei Bauern aus Galtür lagen jahrelang im Streit um eine schöne Wiese, die dem einen wie dem andern in die Augen stach. Weil keiner nachgeben wollte und der Streit kein Ende nahm, verstanden sie sich schließlich dazu, sich einem Schiedsspruch der Gemeinde zu unterwerfen, die rundherum ebenfalls Wiesen besaß.

So setzten sich denn die ehrsamsten Gemeindeväter zusammen und beratschlagten bei verschlossenen Türen, wie man den Streitfall am besten beilegen könne. Nach langem Erwägen und Überlegen kamen sie zu dem Schluß, die beste Lösung werde es sein, wenn auch die Gemeinde noch ein Geschäft dabei mache. Daher ließen sie die beiden hartnäckigen Gegner folgendes wissen:

Der Streit wird durch einen Wettkampf entschieden. Die beiden Bauern müssen sich auf einem Felsblock oberhalb des strittigen Grundstückes aufstellen und einen Ring über die Wiese werfen. Wer den Ring am weitesten wirft, dem soll die Wiese gehören; wenn der Ring über die Wiese hinausgeschleudert wird, soll der Sieger auch den Teil des angrenzenden Grundes bekommen, den der Ring überfolgen hat. Wenn aber der Ring innerhalb der Wiese liegen bleibt, soll auch die Grenze da gehen, und der restliche Wiesenstreifen wird Eigentum des Anrainers. Das war nämlich die Gemeinde, der das Nachbargrundstück bis zu einer Felsplatte am gegenüberliegenden Talrand gehörte. Und da das Streitobjekt ziemlich breit war, hoffte die hohe Dorfobrigkeit auch für die Gemeinde noch etwas herausschlagen zu können.

Nach drei Tagen sollte der Wettkampf stattfinden. Die beiden Bauern hatten den Spruch der Gemeinde mit gemischten Gefühlen vernommen. Jeder wünschte die Wiese zu gewinnen, aber jeder wollte auch noch ein möglichst großes Stück vom Gemeindegrund dazu haben. So dachte ein jeder hin und her, wie er den andern und die Gemeinde dazu übers Ohr hauen könnte. Aber während der eine sich keinen Rat wußte, wie er es anstellen solle, ging der andere, als alles Nachsinnen nicht fruchtete, in seiner Habgier so weit, daß er den Teufel berief und mit diesem einen Vertrag schloß.

Als nun die Stunde des Wettkampfes gekommen war, lag bei dem Steinblock, wo sich die Ringwerfer aufstellen mußten, ein Eisenring, gut fünf Zentner schwer. Den hatte der Teufel herbeigeschafft, um seinem Mann zu helfen. "Ha", sagten die weisen Gemeindeväter zueinander, "der ist schon recht, den werfen sie nicht weit, und wir gewinnen die ganze Wiese." Zuerst trat der Bauer an, der auf seine eigenen Kräfte gestellt war. Aber, o weh, er konnte den Ring nicht einmal aufheben. Nun ging es der andere an. Gestärkt durch die Kraft des Teufels, hob er den Ring, als wäre er nur ein Fingerreif, und schnellte ihn mit Wucht bis zur Felsplatte am gegenüberliegenden Talrand, wo er noch tief in den Felsen hineinfuhr, daß nur noch ein ganz kleiner Rand herausragte.

Verdutzt kratzten sich die löblichen Gemeindevertreter hinter den Ohren, der erhoffte Gewinn war beim Teufel. Der Bauer hatte die Wiese und den ganzen Gemeindegrund gewonnen und rieb sich grinsend die Hände.

Aber noch ein anderer grinste vergnügt; das war der Teufel; denn der war der wirkliche Gewinner. Es dauerte auch gar nicht lange, so wurde der durch seinen Teufelsgewinn reichgewordene Bauer trübsinnig und menschenscheu und fand Tag und Nacht keine Ruhe mehr.

Eines Nachts aber zog sich ein furchtbares Gewitter über dem Hof des Bauern zusammen, und unter schrecklichem Donnerkrachen fuhr ein Blitzstrahl in das Haus, das sogleich in hellen Flammen stand. Als die aufgeschreckten Nachbarn herankamen, um helfend einzugreifen, sahen sie gerade noch, wie ein riesiger Teufel, den reichen Bauern am Kragen hinter sich herschleppend, aus dem Flammenherd herausflog, um mit seinem Opfer zur Hölle zu fahren.

Das Unwetter hatte aber nicht nur das Haus des Bauern zerstört, sondern auch alle seine Felder und die gewonnenen Wiesen verwüstet und mit Steintrümmern übersät, die von den Bergen herabgerollt waren.


Quelle: Die schönsten Sagen aus Österreich, o. A., o. J., Seite 280