Das Almlotterl
Dem Melcher auf der Grosseggalpe hatte sich ein Geist dienstbar zugestellt, ein altes, kleines graues Lotterle, das ihm in allen seinen Arbeiten fleißig mithalf. Die Milch und den Käse, den ihm der Melcher gab, trug es stets fort - wer weiß, wohin?
Einmal kam der Melcher von einer Hochzeit zurück, auf welche zu
gehen das Lotterie ihm dringend zugeraten hatte, und fand alles von demselben
in schönster Ordnung verrichtet und vollzogen. Da fragte der erfreute
Melcher, das Lötterl, was er ihm denn zum Lohne dafür geben
sollte - und schenkte ihm, da dasselbe ängstlich schwieg, wie immer
- eine alte abgetragene Lodenjoppe, worauf das Lötterl bitterlich
zu weinen anhub und dem Senner scheidend sagte, daß ein einziges
"Vergelts Gott!" es erlöst und in den Himmel geführt
hätte - was der Senner leider niemals zu ihm gesagt hatte.
Quelle: Das Almlotterl, Von einer Duxerin, 1847, Eduard Ille: Büschelzuig aus Tirol, ZfVk. 8, 1898, 323f, zit. nach Will-Erich Peuckert, Ostalpensagen, Berlin 1963, Nr. 282, S. 156