Der Höllenpförtner
Wie unser Herrgott den Petrus am Himmelstor angestellt hat, so hält sich auch der Teufel am Höllentor ein Torwartl, nur muß er ein unschuldiger Knabe sein, den er obendrein nicht länger als sieben Jahre unten behalten darf. Nach Ablauf dieser Zeit muß er ihn wieder auf die Welt lassen und sich um Ersatz umschauen.
Einem Oberlandler Buben waren einst Vater und Mutter gestorben und er wanderte hierauf betrübt aus seiner Heimat in die Fremde, um irgendwo einen Platz zu suchen, wo er Arbeit fände. Wie er so dahinschritt, begegnete ihm ein vornehmer in grüne Seide gekleideter Herr, der ihn freundlich fragte, wohin er gehe. Als ihm der Bube gesagt hatte, daß er ein Eartl suche, erbot sich der Herr gleich ihn anzustellen. Dies war dem Knaben natürlich recht, denn er wußte nicht, daß er es mit dem Teufel zu tun hatte. Nun war er aber in seiner Gewalt und mußte sieben Jahre bei der Hölle Torwartler sein. Nachher studierte er in Innsbruck Theologie, wurde zum Priester geweiht und in Oberperfuß angestellt. Bald darauf erhielt er eine Einladung zu einem kirchlichen Feste nach Sellrain und leistete ihr auch gern Folge. Als er dort dem Gottesdienste anwohnte, erklärte ihm plötzlich der Pfarrer, der Kooperator, der die Predigt hätte halten sollen, sei daran verhindert und nun solle er aushelfen; auf der Kanzel liege schon eine kleine Daraufhilfe. Da alles Sträuben nichts half, bestieg er endlich die Kanzel. Dort lag wohl ein Blatt Papier, es war aber auf keiner Seite auch nur mit einem Buchstaben beschrieben. Da sprach der Priester, indem er das Blatt umwandte:
Da steht nichts und da steht nichts und aus nichts hat Gott die Welt erschaffen!
Darauf fing er zu predigen an, und zwar von Begebenheiten aus seinem eigenen Leben. Wie er nämlich höllischer Torwartler gewesen sei, seien im ganzen nur drei Bauern gekommen. Der erste mit einem Marchstecken [Grenzpfahl], der andere mit einem Star [altes Hohlmaß) und der dritte mit einer Waage. Die ganze Hölle aber sei mit Geistlichen gewöhnt und werde noch mit solchen gepflastert werden. Nach Beendigung der Predigt machten ihm die übrigen Geistlichen Vorwürfe, warum er denn so scharf gepredigt habe; es sei ja doch kaum zu glauben, was er da alles erzählt habe. Er aber entgegnete:
Jedes meiner Worte ist wahr und ihr brauchts nur über rechte Achsel hinwegzuschauen, so seht ihr die ganze Hölle offen!
Dazu hatten aber seine Amtsbrüder keinen Schneid.
Quelle: Der Höllenpförtner, Dörler, Tiroler Teufelsglaube, ZfVk. 9, 1899, 370f zit. nach Will-Erich Peuckert, Ostalpensagen, Berlin 1963, Nr. 221, S. 118f