Ritt auf einem Bock
Ein Handwerksbursche aus Axams kam einst auf seiner Wanderung ins Münchner
Stadtl und geriet dort in die Gesellschaft von Hexen und Hexenmeistern.
Ein solcher sagte ihm, er sei auch einmal in Axams gewesen und "alsterlweis"
[als Elster] auf dem großen Kestenbaum beim Schlößl gesessen.
Wenn der Handwerksbursche auch wieder einmal einen Abstecher nach Axams
machen wolle, brauche er sich nur in ihrem Buche zu unterschreiben, sich
dann auf einen Bock setzen, den sie ihm zur Verfügung stellen würden
und in wenigen Minuten sei er in Axams. Er dürfe aber während
des ganzen Rittes keinen Laut von sich geben. Das ließ sich der
Bursche nicht zweimal sagen; er unterschrieb sich in dem ihm vorgelegten
Buche und setzte sich auf den inzwischen herbeigebrachten Bock. Wie der
Wind sauste das Tier mit ihm davon. Als das sonderbare Geritt schon die
Alpen erreicht hatte, und der Bock von einem Berg auf den anderen einen
Hupf nehmen wollte, wobei er über eine tiefgähnende Talschlucht
hinüberschnellte, entfuhr dein Burschen unwillkürlich der Ausruf:
Jessas, ist des a Hupf vun an Bouck! Jetzt war aber der Bock zwischen
seinen Füßen verschwunden, und der Reiter stürzte in die
Klamm hinunter, wo er zu seiner eigenen Verwunderung sich nach dem Sturze
nicht einmal arg verletzt fühlte. Aber aus dem Felsenloche konnte
der Bursche gar keinen Ausweg finden und irrte lange von Hunger und Durst
geplagt herum. Endlich hörte er ein Wasser sausen, wo er wenigstens
seinen Durst löschen konnte. Später bemerkte er zu seiner Freude
einen Gemsjäger, der hoch oben im Geschröfe herumkletterte und
auch bald seinen Hilferuf vernahm. Als sich nun der Jäger zu dem
Handwerksburschen heruntergeherpft hatte, erzählte ihm dieser die
ganze Geschichte, wie er in die Schlucht heruntergeschmissen worden sei
und bat ihn ihm zu helfen. Dem Jäger waren schon während der
Erzählung die Grausbir'n aufgestiegen und als der Bursche geendet
hatte, meinte er abwehrend: Des ist Hexerei, mit dir will i nix z' toan
hobn! und wollte gehen. Allmählich wurde er jedoch durch die flehentlichen
Bitten des Burschen gerührt, stärkte denselben mit seinem Mundvorrat,
seilte ihn an und brachte ihn glücklich außer Gefahr auf eine
Alpenwiese. Natürlich fiel es dem Handwerksburschen nie mehr ein,
mit dem Hexen- und Teufelskunter etwas anzufangen.
Quelle: Ritt auf einem Bock, Dörler, Tiroler Teufelsglaube, ZfVk. 9, 1899, 266f zit. nach Will-Erich Peuckert, Ostalpensagen, Berlin 1963, Nr. 120, S. 73