Der Schatz im Viol
Blickt man von unserem Dorf hinunter in die Tilliacher Felder, die so genannten „Mösern“, so prägen 2 Kirchlein, uralte Heiligtümer, und zahlreiche kleine Heuhütten das Bild.
Sagenumwoben ist diese Gegend, zumal dereinst Geister ihr Unwesen dort getrieben haben sollten. Sobald es Abend wurde, die Lichter im Dorf erloschen und der Mond aufgegangen war, konnte man rund um die Kapellen Lichter beobachten, die hin- und herhuschten, zum Abendhimmel hinauf und wieder zu Boden fuhren. Arme Seelen sollen es gewesen sein, die auf ihre Erlösung warteten. So passierte es dereinst einem jungen Bauernburschen, dass er von so einer armen Seele heimgesucht wurde. Der Hinterwinkler Uile war es, der sich nach einem arbeitsreichen Tag im Winter zum Stubenofen legte und einschlief. Er hatte seine Eltern und Geschwister nicht mehr gehört, wie sie den Rosenkranz beteten und zu Bette gingen. Doch plötzlich wurde er durch ein grelles Licht im Raum geweckt, gerade als die Stubenuhr Mitternacht schlug. Vor dem Burschen stand eine weiße Gestalt, die zu ihm sprach:“ Uile, steh auf, geh hinunter in die Mösern auf dein Feld im Viol. Dort musst du auf einer aperen Stelle graben, bis du einen Schatz findest. Trag diesen zum Pfarrer, damit er Gutes damit tun kann. Somit bin ich erlöst und kann endlich meinen Frieden finden. Ich bin einer deiner Vorfahren und damit du auch weißt, dass du nicht geträumt hast, wirst du genau an dieser aperen Stelle dein Taschenmesser finden, welches du im Vorjahr am Feld verloren hast!“
Der Uile wusste nicht, wie ihm geschah, kreidebleich saß er auf seiner Bank und ehe er antworten konnte, war die Gestalt wieder verschwunden. Nach einigem Zögern machte sich der Uile tatsächlich mit einer Schaufel auf den Weg. Es war eine eiskalte Winternacht im Jänner und beileibe nicht gerichtet, sich allein in der Dunkelheit auf den Weg zu machen. Wie er so mit ungewissem Schritt zum Dorf hinaus kam, vernahm er auf einmal ein unheimliches Rauschen und Raunen vom Feld her, und der Wind blies in die Bäume und peitschte in sein Gesicht. Dem Uile graute es und seine Knie zitterten. Es war, als ob er jemanden stöhnen hörte. Das war nun zu viel für den armen Burschen. Eiligst machte er kehrt, ohne sich auch nur einmal umzudrehen. Schlaf fand er diese Nacht keinen mehr, er musste es sofort seinen Eltern erzählen. Diese glaubten ihm nicht, weil sie meinten, der Uile hätte wohl nur schlecht geträumt.
Doch am nächsten Tag wagte sich der Bursche nun doch zu seinem Feld hinunter. Und da lag es doch tatsächlich an dieser besagten aperen Stelle sein Taschenmesser.
Fortan fand der Uile keine Ruhe mehr in seiner Stube. Als sein Vater gestorben war, verkaufte er sein Hoamatl und zog nach Rodenegg in Südtirol. Dort leben auch heute noch seine Nachkommen.
Viele versuchten diesen angeblichen Schatz in den Mösern zu finden , doch bis heute konnte ihn niemand finden. Ob die arme Seele nach so vielen hundert Jahren wohl nun ihre Ruhe gefunden hat?
Maria Bucher nach einer Überlieferung ihrer Großeltern.
Quelle: Maria Bucher, Der Schatz im Viol, gesammelt von der 3. Volksschulklasse Obertilliach (Lucas Ebner, Johannes Obererlacher, Philipp Obererlacher) und der 4. Voksschulklasse Obertilliach (Raphaela Bucher, Julia Ganner) mit ihrem Lehrer Andreas Mitterdorfer, Emailzusendung vom 19. Dezember 2005