Das wundertätige Kruzifix
Ein Bildnis des gekreuzigten Heilandes in Lebensgröße, stand
schon vor 1626 in einer Kapelle (die aber schon längst abgetragen
ist) im Gottesacker der Pfarrkirche. Bei diesem Bilde hat sich nun Folgendes
zugetragen:
Eine Frauensperson aus Fließ im Oberinntale, namens Barbara Haisjackl,
Eheweib des Johann Weser, wallfahrte im jahre 1626 zum Heil. Blute nach
Seefeld. Nachdem sie in der Wallfahrtskirche ihre Andacht innig verrichtet
hatte, ging sie nach frommer Sitte des Volkes auf den Gottesacker und
auch hin zu der Kapelle, worin das Krizifixbild war. Hier kniete sie nieder
und bat den Herrn, durch den Anblick des Gekreuzigten mächtig ergriffen
und mit seltenem Vertrauen erfüllt, inbrünstig und unter reumütigen
Bußtränen um Verzeihung aller ihrer begangenen schweren Sünden.
Da hörte sie ganz deutlich aus dem Munde des gekreuzigten Heilandes
die liebevollen Worte:
"Deine Sünden sind dir vergeben wie dem Schächer am Kreuz! Komme wieder!"
Die sündenbekennende Barbara Haisjackl ist
vor dem Kreuz auf dem Friedhof der Pfarr- und
Wallfahrtskirche hl. Oswald in Seefled dargestellt (Kreuzwunder
anno 1626)
Wandbild in der Seekirche Heiliges Kreuz von Josef Anton Puellacher, um
1772 (Vgl. DEHIO-Tirol, 1980, S. 722)
© Berit
Mrugalska, 13. September 2004
Nachdem sie diesen Vorfall dem P. Gelasius Begger, der damals hier Pfarrer war, genau erzählt hatte, kehrte sie voll Trost und ganz beruhigt nach Hause zurück.
Im jahre 1627 war sie krank und kam deswegen nicht ab. Am 25. April 1628 erschien sie wieder in Seefeld, traf aber diesmal das Kruzifix nicht mehr in jener Kapelle im Gottesacker, weil es mittlerweile an den Weg nach Telfs in der Nähe des landesfürstlichen Jägerhauses übersetzt worden war. Als sie an dieser Stelle den gekreuzigten Heiland zu ihrer größten Herzensfreude fand und wieder zu ihm betete und ihre Sünden beweinte, vernahm sie aus seinem göttlichen Munde die nämlichen Worte wie vor zwei jahren. Auch hievon machte sie dem genannten P. Gelasius Meldung und zwar in Gegenwart von sechs Zeugen, nämlich: Johann Wanner, Meßner zu Reit, Jakob Gapp, Johann Baumann, Johann Pittl, Johann Engelsberger und Lambert Jäger. Beide Vorfälle wurden aktenmäßig aufgeschrieben, eine Abschrift von dieser Urkunde später auf einer Tafel im Kirchlein angebracht.
Darstellung des Kreuzwunders anno 1628
Die nur schemenhaft erkennbare Seekirche verweist auf die spätere
Erbauung derselben hin
Wandmalerei (Grisaille) an der Pfarr- und
Wallfahrtskirche hl. Oswald, in Seefled
© Berit
Mrugalska, 13. September 2004
Bald darnach, im nämlichen Jahre noch, kam der damals regierende landesfürst Erzherzog Leopold mit seinem Jagdgefolge von Telfs über den Berg von Mösern gegen Seefled geritten. Am Wege erblickte er jenes heilige Kreuzbild. Wie von unsichtbarer Macht gebannt, hielt der Erzherzog plötzlich stille und betrachtete lange den Gekreuzigten. Er fühlte eine solche Ergriffenheit und Zerknirschung, daß er vom Pferde stieg und seinem ihn begleitenden Beichtvater, dem Jesuitenpater Melchior Schegg, an offener Stelle sein Sündenbekenntnis ablegte. Darnach betete und weinte er noch eine Zeitlang vor dem Bilde. Tief bewegt stand er auf und sagte zu seiner zahlreichen Begleitung:
"Das ist ein recht liebliches, sehr ergreifendes Kreuzbild."
Kreuzwunder anno 1628, Erzherzog Leopold sitzt
zu Tränen gerührt mit seinem Beichtvater unter dem Kreuz
Wandbild in der Seekirche Heiliges Kreuz von Josef
Anton Puellacher, um 1772 (Vgl. DEHIO-Tirol, 1980, S. 722)
© Berit
Mrugalska, 13. September 2004
Nachdenkend über das Erlebte langte der Landesfürst
im Klostzer zu Seeleld an, wo er den Vorfall einigen Patres erzählte.
Diese hinwiederum teilten ihm die Begebenheit mit, die sich im Jahre 1626
und im nämlichen Jahre 1628 bei diesem Kreuze mit dem "Fließer
Weibele" (so wird diese Person noch genannt) zugetragen habe. Der
Erzherzog geriet dadurch in die größte Verwunderun; dann wendete
er sich an den P. Gelasius mit den Worten:
"Wie kommt es, daß man mir nichts davon sagt, wenn solche Dinge auf Seefeld vorgehen, wie dieses Wunder, das beim Kreuze geschehen?"
P. Gelasius war anfangs betroffen, sprach aber dann demütig:
"Durchlauchtigster Herr Erzherzog, wir meldeten deswegen noch nichts davon, als machten wir ohne rechten Grund und bestimmter Gewißheit zu viel aus der Sache; und zweitens habe ich es ganz der göttlichen Vorsehung überlassen, nicht zweifelnd, sie werde es zu gelegener Zeit schon Jemanden anzeigen."
Seine Durchlaucht erwiderte:
"Wenn das ist, so ist weise gehandelt worden; und in Wahrheit, als ich auf dem Wege zu diesem Kreuze gekommen bin und es angesehen habe, war ich alsogleich so gerührt, daß ich vom Pferde stieg und betete, und dann kam mir einen solche Erkenntinis meirner Sünden und einen solche Reue, daß ich sogleich beichtete, und auch ich weiß gewiß, daß mir meinen Sünden verzeihen sind."
Darauf entgegnete P. Gelasius:
"Da hat Gottt der Allmächtige getan, was ich von seiner Vorsehung hoffte."
Dann fuhr der fromme Landesfürst fort:
"Ich will diesem Kreuze eine Kapelle bauen lassen; suchen Sie daür einen tauglichen Platz."
Es wurde die im See befindliche Felseninsel dazu besimmt und der edle Erzherzog gab solgleich Befehl zur Erbauung.
Seekirche Heiliges Kreuz, Seefeld
Gestiftet von Erzherzog Leopold 1628 zur Aufnahme des wundertätigen
Kreuzes
Der barocke Zentralbau erhebt sich über die Seefelder Wiesen,
einst stand er auf einer Insel in einem
künstlich angelegten See des 15. Jh.
Als Baumeister wird Christoph Gumpp angenommen, die Weihe erfolgte 1666
(Vgl. DEHIO-Tirol, 1980, S. 722)
Zahllos sind die Gnaden und Wohltaten, die die Verehrer dieses heiligen Kreuzes in den verschiedensten Bedrängnissen und Leiden empfangen haben und noch empfangen, wovon ungemein viele Votivtafeln und Dankeszeichen Zeugnis geben. Das Kirchlein mit seinem anmutigen Kreuzesbilde ist und bleibt insbesondere eine Troststätte für schwere Kreuze Tragende und ein Zufluchtsort für große, reumütige Sünder. Daß der Christusfigur die Haare wachsen, ist ein auch anderswo vorkommender Volksglaube, de weiters keine Beachtung verdient.
Quelle: Seefeld und seine Wallfahrtsstätten, P. Meinrad Bader, Innsbruck 1909, S. 40ff.