Die Bären im Bärental und im Hinterbärenbad.
Wenn man durch das Kaisertal nach Hinterbärenbad wandert, so hat man beim Hinterkaiserhof die Wahl zwischen zwei Wegen: Entweder durch den Buchenwald über den Klausbichl hinab und am Kaiserbach entlang durch das Hintere Kaisertal, wozu man fünf Viertelstunden benötigt. Oder links hinauf zur Bödner- und Hechleit-Alpe. durch das Bärental und über das Längeck, welche Tour um eine Viertelstunde mehr Zeit beansprucht, vielleicht etwas beschwerlicher, dafür aber schöner ist und mehr Abwechslung bietet. Kaum eine Viertelstunde vom Kaiser-Hof haben wir schon die Bödner-Alpe mit erweitertem Blick auf die uns so mächtig umgebenden Berge erreicht. Der Gebirgsstock, auf dessen südlichem Gehänge wir hier wandern, wird von den Bewohlnern daselbst der Sonnkaiser genannt; schriftlich ist ihm der Name Hinterkaiser gegeben, obwohl er, vom Flachland aus gesehen, als Vorkaiser sich zeigt und auch für die Gegend von Kufstein sich dafür dieser Name besser eignen würde. Als Gegenstück vom Wilden Kaiser wird er namentlich von den Touristen der Zahme Kaiser genannt; daß dieses aber ganz unrichtig ist, mußten schon manche bitter erfahren. Als hier weder Wege gebahnt, noch solche, wie jetzt, markiert und mit Tafeln versehen waren, ging ein Mütterchen mit ihrem Töchterlein den oberen Weg taleinwärts. Sie kamen zu weit aufwärts gegen die Lederer-Alpe, verirrten sich, gerieten in Runsen und Wassergerinne und wurden dabei von Nebel und Regen überfallen. In ihrer Verwirrung und Angst glaubten sie schon das Gebrumm der Bären aus dem Bärental zu hören. Auf und ab ging die ängstliche Fahrt; auf einmal kamen sie auf einen breiten Weg, auf dem eine Geometerstange mit Kreuz stand. Vor freudiger Ueberraschung rief die Kleine der Mutter zu: "Alleluja, Alleluja, Gott sei's gedankt, wir haben einen Weg gefunden." Eine kurze Strecke von der Bödner - Alpe kommt man auf jenen Platz, der jetzt mit einer Ruhebank versehen ist und "Am AIleluja" genannt wird, welchen Namen er auch wegen seiner freudigen, luftigen Höhe und der herrlichen Rundschau mit Recht verdient.
Wandern wir eine gute Viertelstunde weiter, so kommen wir zu der ansehnlichen Alphütte Hechleit. Gerne bereitet die Sennerin Nanni dem zu kurzer Rast einkehrenden Wanderer einen schmackhaften Kaffee. Abwärts geht es jetzt teilweise durch schattige Waldungen und über die Lichtung Haslboden, wo gerne Rehe äsen, hinab in das Bärental zu einem wahrhaftigen Bärennest. Ein Steig führt über den breiten Bach. Die mächtigen Steinklötze im Flußbette, hinter welchen man glaubt, die zottigen Wildfange hervorgrinsen zu sehen, zeigen die Wildheit dieses Bergbaches. Nun geht es in einer geringen Viertelstunde hinauf auf das Längeck, und vor Freude möchten wir, da oben angelangt, ein frisches Juchhe in das vor uns sich unten ausbreitendem Bärenbad hinabrufen, aber unsere Freude wird in Schrecken verwandelt: die vom Hochwinkel und von den Scharlinger Böden abfließenden Gewässer ergießen sich in einen großen Teich und darin plätschert, sich lustig badend, ein Rudel brummender Bären. Durch das Tal herein ziehen weidesuchende Hirten mit ihren Kühen, Schafen und Ziegen. Kaum aber hatten die Ungeheuer diese Herde erblickt, so wollten sie schon darauf losstürzen. Aber in demselben Augenblicke überzieht eine mächtige Wolke die Spitze der Kleinen Halt und der Alberer, der schützende Geist der Almleute und des Almviehes, greift mit seinen mächtigen, langen Armen in den Felskoloß, reißt wuchtige Stücke ab und schleudert sie hinunter. Die abstürzenden Felsblöcke samt dem mitfahrenden Schutt begraben die Bären und füllen den Teich zu einem ebenen Plane aus.
Doch getrost, es ist nur die alte Sage vom Bärenbad. Der ausgefüllte Teich ist jetzt mit einer frischen, grünen Decke überwachsen und auf üppigem Grasboden weidet harmlos das Alpenvieh. Die Hirten hatten schon längst sich hier drei Hütten gebaut, von denen später zwei von der Sektion Kufstein des D. u. Oe. Alpenvereines angekauft und zur gastlichen Aufnahme für die Bergfreunde adaptiert wurden. Lange Jahre walteten hier die allen Touristen liebgewordenen biederen Pächtersleute, der Pauli und seine Nanni, ihres mühevollen Amtes, schließlich erwiesen sich aber auch die beiden Unterkunftshütten für den inzwischen riesig angewachsenen Touristenverkehr als zu klein, und so schritt man denn zum Baue eines stattlichen und anheimelnden Unterkunftshauses, das heute so ziemlich allen Anforderungen gerecht zu werden vermag.
Quelle: Sagen aus dem Kaisergebirge, Anton Karg, Kufstein 1926, S. 29ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Leni Wallner, Mai 2006.
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