Großmutter erzählt: Wie das Kaisergebirge entstand.
An der Grenze des bayerischen Oberlandes, wo unfern von Kufstein der Innstrom von Tirol nach Bayern übertritt, ragt ein mächtiges, wild zerklüftetes Gebirge empor, das man das Kaisergebirge nennt. Seine hohen und schroffen Felsenwände starren auch im Sommer völlig kahl in den blauen Himmel; keine Matte grünt darauf, kein Baum, keine Bergblume erfreut den Wanderer in dieser Felsenwüste. Nicht immer war es so. In alten Zeiten waren am nördlichen Abhang dieses Gebirges fruchtbare Alpen und zahlreiche Herden weideten auf den fetten Matten, so daß die Menschen Ueberfluß hatten an Milch und Butter und Käs und an allen zeitlichen Gütern. Aber wie das Sprichwort sagt: Reichtum gebiert Uebermut und Uebermut gebiert Armut, also geschah es auch hier. In Hülle und Fülle, wie diese Leute lebten, arteten sie immer mehr aus und trieben es zuletzt so arg, daß sie Gottes Gabe, statt dafür zu danken, zu eitlem, freventlichem Spiele mißbrauchten. Sie erbauten sich eine Kegelstätte von lauter Käslaiben; dazu formten sie Kegel aus Butter und schossen darauf mit Kugeln aus Brot und hatten ihren Jubel dabei — das ruchlose Geschlecht! Da ergrimmte der Himmel über sie und es ereilte sie plötzlich Gottes schwere Rache, In einer Nacht brach ein furchtbares Gewitter aus; Regenströme schwemmten von den Alpen alles fruchtbare Erdreich hinweg; die Felsen erbebten und stürzten über ihren Häuptern und Hütten zusammen. Und so ist es denn geschehen, daß von der Zeit an, wo ehedem grüne Matten von Fett troffen, nur kahle, jähtrotzige Felsenwände emporstarren, an denen kein Gras wächst, kein Gesträuch wuchert, kein Leben gedeiht, — eine große, menschenleere Wüste! ("Unsere Heimat" in: Rosenheimer Anzeiger)
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Im Kaiser, der mit seinen grauen Zacken so kühn gen Himmel ragt, ist eine große Höhle voll natürlichen Goldes, das ein großer Hund bewacht. Wer so viel Mut hat, in diese Höhle vorzugehen, der kommt, eh' er das Gold erreicht, zu einer tiefen Lache, diese muß er übersetzen, denn rückwärts kann er von dort keinen Schritt mehr tun. Gelingt ihm der Sprung über jenes Wasser, so kommt er zu unermeßlichen Reichtümern; auf dem Rückweg kann er dann ungehindert hinausgehen; er findet von der Lache keine Spur mehr. Gelingt ihm der Sprung nicht, so sinkt er unrettbar in eine grausige Tiefe. Wer aber an der Lache stehen bleibt und sich nicht zu springen getraut, der wird von Geistern so lang aufs furchtbarste gequält, bis er sich an den Felsenwänden selber den Kopf zerschellt. (Aus "Sagen". Nach volksmundlicher Erzählung aufgezeichnet von Peter Moser. Bruneck 1865, I. G. Mahlsche Buchdruckerei.)
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Bei der Jöchlalm am Roßkaiser ist ein "Goldloch", so tief, daß hineingeworfene Steine noch lange poltern. Man erzählt auch von einem Venedigermandl, daß früher dieses Goldloch besuchte. (Blattl, Wirt in Durchholzen, Paxer-Bauer daselbst, Auer-Bauer, Walchsee)
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Vom Walchseer Seefackai erzählt der Auer-Bauer, daß es so aussehe wie ein blaues Lichtl mit an Hantei. Sein Vater sah es einmal, als er nachts vom Wildern heimkam, bei einem Stock nahe der Straße von Walchsee nach Durchholzen. Spät nachts heimkehrende Hochzeitsleute sahen es in der Staudinger Sagmühle, dort, wo die Säge geht. (Auer-Bauer, Walchsee)
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Am Untersberg gibt es eine tief in den Berg hineingehende Höhle, wo einst die Untersberger Mandln hausten. Nach anderen bildete die "Frauenwandhöhle" den Zugang zu einer unterirdischen Burg, in der drei Weiße Frauen wohnten, die zuweilen ins Dorf zur Kirche gingen. Von ihrer Burg sollte auch das Kössener "Hüttglöcklein" stammen, das die Eigentümlichkeit hatte, von selbst zu läuten, wenn ein Unglück bevorstand. Mancher hat schon den Versuch gemacht, wegen der dort vermuteten Schätze bis zur Burg vorzudringen; aber keinem gelang es. Denn in der Mitte wurde die Luft so heiß, daß man nicht mehr weiter konnte. Der alte Wurzenrainer wollte es mit Hilfe eines Totenschädels versuchen, den er aus der Kössener Totenkapelle raubte. Die Sache wurde jedoch ruchbar und er mußte dafür schwer brummen. (Frl. Mutschlechner, Kössen, Hüttwirt in Kössen.)
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Bei Schwendt befindet sich eine Kapelle, von der man sagt, daß keiner, der nachts hineingehe, wieder herauskomme. Sie heißt daher die Teufelskapelle. (Frl. Mutschlechner, Kössen.)
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Unter einer Alm bei St. Johann geht oft ein Licht von einem Stein aus, unter dem ein Schatz liegt. Manchmal sieht man auch einen Leichenzug von dort zur Bahn ziehen. (Frl. Mutschlechner, Kössen.)
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Am Hintersteinersee geht das Rabensteiner Fackai, ein Lichtl, um. (Die alte Widauerin.)
Heyl, "Volkssagen usw.", S. 29, erwähnt eine Sage voir, "weißen Wurm" im Wurmtale, einem Seitentale des Kaisertales [?]
Quelle: Sagen aus dem Kaisergebirge, Anton Karg, Kufstein 1926, S. 98
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Leni Wallner, Juli 2006.
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