Die Teufelskanzel.
Die Teufels-Kanzel, Teufels–Predigtstuhl sagen die Bauern, ist ein grotesker Felszacken, welcher an den sogenannten Schanzerwänden scheinbar unersteigbar in die Höhe ragt. Vom Viehhölzl ober der Sparchen sieht man eine etwas breite Holzriese herabziehen, durch welche ein etwas steiler Alpenweg zur Südseite der Teufelskanzel emporführt. Wer kennt aber nicht den herrlichen Höhengang in das Kaisertal, auf welchem man in einstündigem Wege von Kufstein aus die gemütliche Bergwirtschaft zum Veiten erreicht. Von da ist jetzt zur Teufelskanzel ein angenehmer Weg angelegt. Nachdem man eine halbe Stunde, teilweise durch Wald, gewandert, steht auf einmal die mächtige Teufelskanzel mit weiter Rundschau vor unserem Blicke. Verwegen und kühn steht der kecke Felszahn da, und daneben hinaus durch das Bergtor, durch welches der Innfluß der wetten Ebene zueilt, bietet sich eine prachtvolle Fernsicht in das Flachland. Da mag es einen wohl nicht wundernehmen, wenn sich der schlaue Teufel gerade diesen abenteuerlichen Klotz ausgewählt hat, um den lustigen Unterinntalern einmal eines zu predigen. Wie durch Zauber lockte er eine Masse Zuhörer zusammen, welche sich unter der Kanzel vor dem Schanzer-Wäldchen versammelten, und predigte ihnen in verführerischer Weise von süßen Liebes- und Lebensfreuden. Als er aber merkte, daß die Zuhörer an seinen Worten zweifelten, schwang er sich zum Schlusse der Predigt, mit einer Axt in den Klauen, vor die Kanzel und rief erzürnt: "So wahr ich diese Kanzel mit drei Hieben umhaue, so wahrhaftig sind meine Worte!" Und dabei hieb er mit mächtigem Schlage in den Felsen, sodaß die Steine weit umhersausten. Als er aber den zweiten Hieb getan, erkannte er die Nichtigkeit seiner Prahlerei und fuhr unter fürchterlichem Getöse davon. Die verführten Zuhörer aber versanken zur Strafe ihres Frevels in den Boden.
Am Fuße der Teufelskanzel neben der Straße, die von Kufstein nach Ebbs führt, sieht man unzählige kleine Hügelchen, "Dollbühel" genannt, welche die Sage als Spuren der versunkenen Zuhörer bezeichnet. Wenn man von dort zur Kanzel hinaufschaut, so erkennt man zwei breite, schräge Einschnitte an derselben, diese hat der Teufel mit seiner Axt eingehauen. Wie wuchtig diese Teufelshiebe gewesen sein mußten, zeigen die vielen Felsblöcke beim Schanzer-Wäldchen, die durch diese Erschütterung vom Berge gefallen sein mußten. Diese jetzt üppig überwachsenen Felstrümmer liegen hier in den herrlichsten Formen zerstreut herum und bilden für Maler gewiß eine reiche Auswahl zu Studien. Ein Weglein führt mitten durch den traulichen Wald, wo man wohl jetzt noch oft von des Kaisers Wänden des Teufels Predigt-Gesumse, das Getöse seiner Fahrt und das Rollen noch immer nachstürzender Steine vernehmen kann.
Quelle: Sagen aus dem Kaisergebirge, Anton Karg, Kufstein 1926, S. 20f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Leni Wallner, Mai 2006.
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