DIE DOMINIKUSKAPELLE
Vinzenz-Gredler-Straße, Telfs © Stefan Dietrich
Erbhof in der Vinzenz-Gredler-Straße, Telfs
© Stefan Dietrich, März 2005

Straßennamen wurden in Telfs am 30. Oktober 1925 eingeführt. Seither heißt der Weg, von dem im folgenden die Rede sein wird, Vinzenz-Gredler-Straße. Sie ist benannt nach dem berühmten Naturforscher Pater Vinzenz Gredler, der am 30. September 1823 in Telfs geboren wurde und am 9. Mai 1912 in Bozen starb. Sein Geburtshaus steht heute noch am Anfang dieser Straße und trägt die Hausnummer 84 (heute Obermarktstraße 34). Früher sagte man kurz 'd' Höhla' dazu. Die heutige Vinzenz-Gredler-Straße ist ein Teil des alten Fahrwegs Innsbruck - Zirl - Telfs - Mieming - Fernpaß - Augsburg. Sie dürfte im Jahre 46 nach Christi erbaut worden sein und gewann seit den Markomannenzügen im Jahre 174 nach Christi zunehmend an Bedeutung. Kaiser Decius ließ die Straße um 250 verbessern, Kaiser Otto zog 961 mit glänzendem Gefolge und Konradin von Schwaben mit bewaffneter Heeresmacht durch 'd' Höhla'; Rudolf von Habsburg, Friedrich mit der leeren Tasche, Sigismund der Münzreiche, Kaiser Maximilian, Fürsten und Grafen, Päpste und Bischöfe versetzten mit ihren prachtvollen und zahlreichen Gefolgen über die Jahrhunderte hinweg Telfs in Staunen und Bewunderung. Riesige Frachtfuhren, gezogen von schweren Pferden, rollten bergauf und bergab. Wein und Seide, kostbare Stoffe und Baumwolle, Tabak, Eisen und Kupfer, Granatäpfel und Lorbeer, Salz und auch die Post wurden hier transportiert, freilich nur solange, bis die Straße durch das Meaderloch gebaut wurde.

Vinzenz-Gredler-Straße © Stefan Dietrich
Vinzenz-Gredler-Straße, Telfs
heute eine verkehrsberuhigte Straße
© Stefan Dietrich, März 2005

An dieser berühmten Straße also, Tag und Nacht befahren, steht gleich zu Beginn der Steigung die Dominikuskapelle. Wie diese Kapelle hierher gekommen ist, soll jetzt erzählt werden.

Ursprünglich befand sich die Statue des Heiligen Dominikus etwa zwanzig Meter weiter zurück von der Straße in einer Felsengrotte, auf Grund und Boden des Hackelebauern, jenes Bauern, der uns aus der Sage vom Moritzenschimml her bekannt ist. Die alte Grotte war niedrig, feucht und unansehnlich und war weit von der Straße entfernt. Trotz des regen Verkehrs, konnte Dominikus nur wenig davon sehen und fühlte sich daher recht vernachlässigt und vergessen; kein einziger Fuhrmann schenkte ihm einen dankbaren Blick, kein Wanderer kehrte bei ihm ein, und sie alle hätten doch Grund genug gehabt, dem Heiligen für die glückliche Reise zu danken und um weiteren Schutz zu bitten. Das verdroß Dominikus, ganz besonders auch deshalb, weil er gar oft nichts anderes hörte als das Fluchen und Schnalzen der Fuhrleute. Ja, sogar der Bauer hatte seiner offenbar vergessen, warum sonst hätte er gerade vor der Grotte Erbsen und Bohnen, Johannisbeeren und Kamille gepflanzt. Trug es sich zu, dass auf der Straße einige seiner Landsleute aus Spanien vorbeizogen, so gab«s für den Heiligen kein Bleiben in seiner Höhle. Er verließ dann seinen alten Platz, kam mit freudestrahlendem Gesicht und vorgestreckten Armen aus seiner Einsiedelei, stapfte durch den Garten bis an den Rand der Straße und schaute den Spaniern nach, bis sie außer Sichtweite gelangten. "Herr, gib ihnen ein glückliches Geleit!" hörte man ihn murmeln, und dabei ging er mit traurigem Antlitze wieder an seinen alten Platz zurück.

Oft schon musste Dominikus seinen Unterschlupf verlassen haben, denn durch den Garten verlief bereits ein schmales Weglein, bedeckt mit feinstem Gras, das durchwachsen war mit herrlichen, winzigen Blümchen. Das wundersame Gebaren «ihres« Heiligen hatten der Gartenbesitzer und die Bewohner der nächstliegenden Gehöfte schon manches Mal, wenn es Abend war oder spät nachts, beobachtet.

Wenn es regnete, vor allen Dingen aber zur Zeit der Schneeschmelze war die Grotte ganz besonders der Nässe ausgesetzt, sodass die Kleider der Statue anfingen, ernsten Schaden zu nehmen. Ja, sogar die Schuhe begannen, faulig zu werden. Es war höchste Zeit, eine bessere Unterkunft zu finden. Da trug sich die folgende Begebenheit zu: Der Hackelebauer hatte mit den zwei schweren Pferden vom Nachberg herab Baumstämme geführt, um damit den Dachstuhl am Haus und dem großen Stall zu erneuern. Scharf abwärts führte der Weg, da brach die Sperrkette, und Pferde und Wagen wurden von der schweren Last mit unheimlicher Schnelligkeit zu Tal getrieben. "Heiliger Dominikus, hilf!" flehte der Bauer, und sonderbarerweise machten die Pferde von selbst einen kleinen Sprung zur Seite und landeten mit ihrer ungeheuren Last ohne Schaden zu nehmen auf einer mit Jungwald bewachsenen Ebene. Der Hackele wusste nicht, wie ihm geschehen war. Er wusste weder, wem dieser Boden gehörte noch hatte er ihn jemals betreten, obwohl er den Nachberg kannte wie seine eigene Stube. - Er hat diese Ebene auch nie mehr gefunden. Die Menschen waren dazumal viel gläubiger als heute und so schrieb der Hackelebauer die Errettung aus schrecklichem Unglück auch nur einzig und allein dem Heiligen in seinem Hausgarten zu. Zum Dank versprach er, ihm eine bessere Kapelle, und zwar an der Straße, zu erbauen.

Hackele selbst war Maurer, suchte sich aber dennoch einen Gehilfen, einen Kameraden, der ihm zur Hand gehen sollte, denn schließlich war das Arbeiten zu zweit kurzweiliger. Bald traf er den erwünschten Helfer und rief ihn an: "Du, Kößler, hilf mir, die Kapelle für den Heiligen Dominikus bauen, Essen bekommst bei mir, Lohn kriegt's keinen; geh, Lois, du tat'süt a a gut's Werk, wenn d' mir half'n tat'süt."

"Ja", sagte der Kößler, "i tat dir gern half'n, åber woast schua, mir isch mei Kuah hin woarn. A Kuah möcht i åber schon döcht gern im Stall habn, und so muaß ich jetzt fleißig zur Årbat schaug'n, damit i die 25 Guldn z'såmmenbring!" Damit war der Bau der Kapelle auf einige Zeit verschoben. Dem Kößler ließ es aber dennoch keine Ruhe. "A Kapellele bauen, wär holt doch a guats Werk."

"Hackele", rief er eines Tages schon von weitem, "i muaß dir schua no glei helfn, 's Kapellele bauen, es laßt mir kua Ruah. Wer woaß, für wos es guat isch!"

Am nächsten Tag frühmorgens wurde begonnen. Zuerst musste etwas Felsen abgepickelt und ein bißchen Grund ausgehoben werden. Beim Abbrechen eines kleinen Stückchens alter Mauer kamen auf einmal 25 Gulden zum Vorschein, 25 alte, gute Silbergulden.

"Hackele, schaug, wos i då hun! Dös håbn jetzt g'wiß deine Vorfåhrn zur Kriegszeit versteckt."

"Nua, davon woaß i nix, a mein Voter und mein Nehna45 håb'n mir nie etwas darvun derzöhlt. Und in meine Hausbrief steat a nix g'schriebn; dös g'hört amol nit mein. Åber mir wearn die Nåchbårn frogn."

Auch diese wussten nichts von verstecktem Geld und so blieb das Geld Eigentum des Finders, zumal es der Grundeigentümer nicht beanspruchen wollte. Der Kößler konnte wieder eine Kuh kaufen und blieb dafür fleißig beim Bau, bis die Kapelle fertig war. "Meager hatt' i nit verdienen können, wenn du mir d' Schichtn zahlt hättest", sagte Kößler, und blieb, so lang er lebte, ein eifriger Verehrer des genannten Heiligen.


Nach vorliegenden Urkunden ist die Kapelle um 1790 bis 1800 aufgeführt worden. Die alte Grotte ist heute kaum mehr zu sehen.

Quelle: Mei'r Huamat, Marktgemeinde Telfs, 1997
© Der Text wurde dem Buch "Mei'r Huamat" entnommen. Alle Rechte liegen bei der Marktgemeinde Telfs, Untermarktstr. 5 + 7, A-6410 Telfs. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden."