IN DER GRIESGASSE
In einem Haus in der Griesgasse geisterte es im Hinterstübchen. Einmal prasselte es, als ob Feuer brannte, dann zog es plötzlich, dass alle offenen Türen und Fenster mit einem Schlag zufielen, ein anderes Mal war es auf einmal so kalt in der Stube, dass das Wasser neben dem Kochherd zu Eis erstarrte, und schließlich raunten unsichtbare Wesen unverständliche Worte, dass man meinen mochte, es wären ihrer dreizehn im Stübchen gewesen. Das war freilich recht ungemütlich, und man ersuchte einen Pater um eine kräftige Geisterbeschwörung. Dieser kam mit geweihten Kleidern, Kerzen und Weihwasser, hatte sich aber ausbedungen, dass niemand ein Wort reden durfte. Er beschwor einen Geist nach dem anderen. Es prasselte nicht mehr - es ging kein Wind mehr - es war auch keine Kälte mehr zu fühlen - es waren nur noch die sprechenden Geister zu beschwören. Man hörte sie deutlich reden: "Tu mir's Geld her, gib mir die goldenen Ring und mir den Moritzen G'Schloss-Schlüssel!"
Nun war unter den bei der Geisterbeschwörung Mitbetenden auch ein altes, neugieriges Weiblein, dem die Sache zu lange dauerte. "Dös dauert a Weil, bis der Pater långsåm fertig isch!" schimpfte sie und öffnete knarrend die Tür zur Geisterkammer. Da verstummten die Geister, es folgte ein fürchterliches Krachen und der Fußboden des Stübchens stürzte vor den Augen des Weibleins in den Keller.
"So", sprach der Pater, "hättest du dein Maul gehalten, dann hätten wir alles Geld und Gold und gar das Wertvollste, den Moritzen G'Schloss-Schlüssel, in die Hände bekommen; so sind die Geister damit durch. Ihr hättet reich werden können, so aber seid ihr gleich arm wie vorher."
Quelle: Mei'r Huamat, Marktgemeinde Telfs, 1997
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