ST. MORITZEN
St. Moritzen ist ein altes Wallfahrtskirchlein. Es ist bekannt durch die Moritzner Muttergottes, die alle Jahre in feierlicher Prozession am Sonntag vor Maria Namen30 in die Pfarrkirche getragen wird. Einst begleitete eine große Volksmenge das Gnadenbild durch Telfs. 150 Böllerschüsse wurden abgefeuert, wenn die Muttergottes in der Nähe des Pestbildstöckls aus dem Jahre 1515 vorbeigetragen wurde. Am Weißenbachplatz erwartete sie die Bürgermusik, und 12 bis 20 weiß gekleidete Mädchen flankierten die Einziehende mit einem mächtigen Kranz von echten Rosen, Lilien und Tannengrün.
Kreuzweg und Wallfahrt St. Moritzen bei Telfs
Postkarte, ca. 1910
Privatbesitz Hansjörg Hofer
Früher hatte die Moritzenmuttergottes viele Verehrerinnen und Verehrer,
und noch einige Legenden erzählen von ihr. Von einer will ich hier
nun kurz berichten:
Vor gut 100 Jahren lebte ein altes Weiblein, das oft zu unserer Frau nach Moritzen wallfahrtete. Zu schwerer Arbeit war es nicht mehr fähig, seine Augen waren trüb, und die zittrigen Finger ihrer knorpeligen Hände ließen nur noch die großen Grallen des Rosenkranzes fühlen und den dicken Schafwollfaden, den sie zu warmen Strümpfen für ihre Urenkel strickte.
Sie betete: "Die Messerschmiedin isüt zum Sterben, die Buben vom Tschurggu Kaßl (Haus Nr. 69, abgebrannt) sain im Krieg, und 's Palaschn-Moidele (Haus Nr. 128 im Emat) hat seit Tagn schrecklign Grimmen. Heilige Moritzenmuattergottes hilf ianan zu a guata Sterbstund. Nacher, liebe Muttergottes, muß i dir schoua a sogn, håsch es gearn oder ungern: zum Glaser-Lois (Haus Nr. 23) sein Sterbm hasüt es wohl a nimmer dertun, gelt, und die Bådhaus Lina (Haus Nr. 53) moan i, håsüt wohl ganz vergessn. Åber zwegen dem geh ich schua decht noa zu dir außa. Heilige Maria Mutter Gottes - jetzt und in der Stund ... ."
Unser Weiblein wanderte gemächlich Moritzen zu. Das Paterglöckl klenkte zum Morgengebet und bald setzte auch Pfaffenhofen ein. Es war früh am Tag. Das Weiblein wunderte sich, so früh schon von Moritzen herein jemandem zu begegnen; die Kleider der Frau fielen ihr auf, sie trug einen weiten blauen Mantel und ging sehr rasch, musste also in großer Eile sein. Schon wollte das Weiblein den Mund zum Morgengruß öffnen, als sie sprachlos stehen blieb. Das war ja die Moritzenmuttergottes. "Annala", sprach die noble Frau, "heut brauchsüt nit nach Moritzen zu gehn, heut bin i nit draußen, i muß zu einem Sterbenden." "Du liebe Muttergottes", wollte die Wallfahrerin rufen, aber schon war die Heilige außer Sehweite. "Jetzt und in der Stund." Es ging das Beten nimmer gut, sie war zu zerstreut durch die Erscheinung. Dennoch wanderte sie hinaus nach Moritzen, wo tatsächlich der Platz der Muttergottes leer stand, und so besuchte sie das Heilige Grab.
Die Grabeskapelle wurde in den Jahren 1650 bis 1656 erbaut und am 13. September 1656 eingeweiht, am gleichen Tag wie der um die Kirche gelegene Pestfriedhof (1634 war die Pest in Telfs und Umgebung). Ursprünglich stellte das Innere der Grabeskapelle die Stadt Jerusalem mit dem Kalvarienberg dar. In den Straßen der Stadt und auf dem Weg nach Golgotha waren die einzelnen Gruppen Christi Leidens so aufgestellt, wie zu Weihnachten die Heiligen Drei Könige in der Krippe. Die Figuren, etwa 10 Zentimeter hoch, wurden von einem gewissen 'Wachterle', der nähere Name ist leider unbekannt, geschnitzt und vom Kunstmaler Puelacher (geb. in Telfs 1728, gestorben 1802 ebenfalls in Telfs) bemalt oder wie man auch sagt 'gefassen'. Etwa um 1800 wurde dann die Krippe beseitigt, weil sie durch eingedrungenes Wasser sehr gelitten hatte. Dafür wurden am Palmsonntag der Einzug in Jerusalem, am Gründonnerstag der lberg, am Freitag die Kreuzigung, am Samstag Christus im Grab und am Sonntag der Auferstandene in Figuren dargestellt. Die Figuren hatten keinen Schaden gelitten, weil sie in der Sakristei aufbewahrt worden waren.
Um 1840 wurden nun die einzelnen Darstellungen auf einer sich horizontal bewegenden Scheibe befestigt und durch ein Uhrwerk in Bewegung gesetzt. Ein Teil der Figuren verschwindet hinter einem Krippenberg (Golgotha), während der andere Teil vorbeizieht. Diese mechanische Arbeit stammt von einem gewissen 'Bachlambartl', Bartlmä Sailer, von Gewerbe ein Uhr- und Büchsenmacher. Er bewohnte das Haus Nr. 67 (heutiger Maler Sailer) obenauf.
Der Gründonnerstag war der wichtigste Tag in der Fastenzeit31 für die Jugend als auch für einen Großteil der Erwachsenen. Um ein Uhr nachmittags fand von der Pfarrkirche aus ein Kreuzgang hierher statt. Dieser wurde im Jahre 1828 zum ersten Male gehalten. Und von weit und breit kamen die Menschen herbei, um die 'lebendige' Fastenkrippe in Moritzen zu sehen. Abends leuchteten dann die farbigen Grabkugeln, schwammen Fischlein im Wasser und sogar ein Stubenvogel hüpfte von Ast zu Ast. Das Ganze gab dem Dargestellten eine geheimnisvolle Weihe.
Vor der Grabeskapelle stehen zwei mächtige Fichten Wache, die 1826 gepflanzt wurden. Wenn Weg- und Witterungsverhältnisse es erlauben, sollte man den Besuch dieser Stätte am Gründonnerstag nicht versäumen.
Quelle: Mei'r Huamat, Marktgemeinde Telfs, 1997
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