VOM MORITZENGEIST

Als man abends noch beim Kemmifuir42 beisammensaß und sich vom Schatzgraben und von Geistern erzählte, lief dabei so manchem ein kalter Schauer über den Rücken. Doch wer sich zu sehr fürchtete, war ein 'Hennaler' und war zum Geisterbeschwören nicht zu gebrauchen, sagte man.

In jener Zeit erschien jedesmal zur Vollmondnacht ein Geist auf den Ruinen des Schlosses von Eben in der Nähe der heutigen Moritzenkirche. Er jammerte und wimmerte über sein Schicksal und trug eine schwere, mit Eisen beschlagene Kiste mit sich. Geld war drinnen, Taler aus schwerem Silber, Füchse43 aus gleißendem Gold, ja sogar altes, wertvolles Ledergeld aus den ältesten Zeiten.

"Wir müssn schaugn, dass mar des Geld kriagn, nachher wölln miar's ins guatgian låssn", meinte der Schmied. Und so wurde vereinbart, zur nächsten Vollmondnacht um halb 12 Uhr nach Moritzen zu gehen und den Geist abzupassen.

"Aber ein Jesuit muß dabei sein, der den Geist beschwört, sonst könnten wir nimmer mehr heimkommen", hatten sich der Büchsenmacher und der Saliterer ausbedungen.

Die Mondnacht kam, und auch der Jesuit aus Innsbruck. Zur festgesetzten Stunde traten sie ihre Wanderung an. Es war schon am Tag vorher keinem erlaubt gewesen zu rauchen oder etwas zu trinken, und jetzt durfte man zusätzlich noch kein Wort reden, das hatte der Jesuit befohlen. Noch dazu musste jeder von ihnen ein geweihtes Kreuzlein in der Tasche tragen.

Bei der Krönungskapelle auf dem Weg nach Moritzen begann der Bereich der Geister. Hier zündete der Jesuit ein geweihtes Kerzlein an, trug dieses in der rechten Hand und begann, aus einem Büchlein heilige Gebete zu lesen. Sie waren noch nicht hundert Schritte gegangen, da erschien schon der Geist.

"Was willst du da?" brüllte dieser grollend. Aber der Priester gab keine Antwort, sondern ging ruhig weiter und las.

"Geht's z'ruck, geht«s z'ruck, das ist meine Gegend", drohte der Geist, aber der Jesuit und hinter ihm die drei mutigen Burschen gingen ruhig weiter. Den Schmied reute es, dass er sich nicht doch ein Fraggele Gigges44 mitgenommen hatte, ein bißchen mehr Schneid wär halt doch gut gewesen. Nun blieb ihm aber nichts anderes übrig, als hintendrein zu gehen, er wollte schließlich kein 'Hennaler' sein.

"I wirf enk die Kist'n zum Kopf, wenn's nit z'ruck gehts!"

"Helft mir, die schwere Kisütn tragn!"

"Hör auf mit deinem Lesn und red mit mir!" Aber der Jesuit gab mit keinem Wörtlein Antwort. "Mecht's ös epper gor mei Geld, dös kriegt's ös nit. Åll des schware Geld tråg i schon 150 Jåhr lang herum, und darnach tun mir alle Knochen weh, so schwar isü des verfluachte Geld, und doch kann ich es nit brauchen!"

Der Priester gab noch immer keine Antwort, trieb aber den Geist mehr und mehr gegen das Schloss. Da riß dem Saliterer die Geduld, und er herrschte den Geist an: "Mia brauchn«s und du brauchsch es it, tue hea dai Gald!" In diesem Augenblick verlöschte das Lichtlein, das sie bei sich getragen hatten, pechschwarze Finsternis umgab die Männer, und der Geist tat fürchterlich erbost. Mit riesiger Wucht schmetterte er die Geldkiste zu Boden, dass dieser erzitterte und lodernde Flammen emporschlugen. Er packte riesige Steine und schleuderte sie dem Geistlichen und den anderen dreien solcherart nach, dass Blitze aufleuchteten und lange Jahre auf den Stellen, wo die Felsklumpen aufgetroffen waren, Brandflecken zu sehen waren. Der entfesselte Geist verfolgte die Schatzsucher bis zur Krönungskapelle.

Dort nahm er die Gestalt einer riesigen, glühenden Fledermaus an und war im Augenblick zu seiner Geldkiste zurückgeflogen. Es tat dort einen fürchterlichen Krach - und Geist und Kiste waren verschwunden.

Anderntags fand man an jener Stelle einen nach Schwefel stinkenden Steinhaufen, der heute noch nicht bewachsen ist.


Quelle: Mei'r Huamat, Marktgemeinde Telfs, 1997
© Der Text wurde dem Buch "Mei'r Huamat" entnommen. Alle Rechte liegen bei der Marktgemeinde Telfs, Untermarktstr. 5 + 7, A-6410 Telfs. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden."