Der Almputz zu Els
(Originalmährchen aus Dux)

Das Mährchen vom Almputz, merkt auf, ich erzahl's:
Es hauset ein Berggeist am Hochleger 1) Els,
Ein Gaul ist's voll Beulen, von wilder Gestalt,
Der Oden haucht Grabluft, der Leib ist eiskalt.
Dem Huftritt entlang jedes Bergblümlein stirbt.
Und wo er sich lagert, die Weide verdirbt.
Kein Vogel singt Lieder, der Mondschein glüht roth
Das Käs 2) stiert ins Bergthal als riesiger Tod.
Und schreit dann der Kuckuk in windiger Nacht,
So ist auch der Zauber des Bösen erwacht.
Dann helf Gott dem Wandrer, sonst sinkt er ins Grab
"Zerrissen, zerbissen zu Lab 3) und zu Stab" 4). -
Er könnte sich schützen auf dortiger Flur,
Mit Gleißendem, Beißendem, Reißendem nur;
Doch weiß es kein Mensch bis zur heutigen Frist
Was Gleißendes, Beißendes, Reißendes, ist.
Bei mondhellen Nächten kann jeder ihn seh'n.
"He Buben! Wer wagt es zur Alpe zu geh'n!" -

So schloß heut die Ahnl 5) und spann fleißig fort,
Und lange sprach kein's in der Spinnstub' ein Wort.
Die Tochter vom Haus putzt' das Licht an der Wand,
Drauf nahm sie den Hanns bei der nervigen Hand,
(Ihr Bräutigam war's) die Gefahr nennt er Spiel,
Er lüpfte im Lande der Robler schon viel'.
Es kam ihm der Specht nur im Baumklettern nach
Wie flinke Forellen durchschwamm er den Bach,
Wo schwindelnd die Gemsen auf Felszinken steh'n
Da sieht man vom Hansel die Huifedern weh'n.
Vom Felsen, und war' er auch himmelhoch steil.
Da holt' er die Rauten 7) und brauchte kein Seil,
Ein Schütz wars wie keiner, ob's rennet, ob's fliegt.
Ein Blitz und ein Knall - und es bäumt sich und liegt!
Mein Hans, sprach die Dirne, da blühen Dir Ehr'n,
'Ne goldene Hutschnur die kauf ich Dir gern,
Dazu eine Binde, zwei Herzen darauf,
Und mein und dein Name, das kommt noch im Kauf! -
- Ich wag es, ruft Hansel, zu Schutz und zu Trutz,
Und war' selbst der Teufel dort oben der Putz!

Die Nacht legt den Mantel auf Lannersbach [Lanersbach] 8) weich.
Und macht alle Armen im Traumleben reich.
Nur Einer geht aufwärts der Stunden schon zwei
An Torschboden Almhütten schleicht er vorbei,
Da läutet die Heerde den Morgengruß laut -
"Wohin schon des Wegs, da der Morgen kaum graut?"
So fragt ihn der Melker am Weidzaun gestreckt,
""Nach Els, will mal seh'n, wo der Gaul sich versteckt.
Mit dem will ich raufen heut Abends alldort,
Die Braut will's so haben, ich gab ihr mein Wort.""
Der Melker erbleichet! "Kehr' um, junger Freund,
Wir haben schon viele, die's wagten, beweint.
Du mußt, - willst die Freunde im Dorf wieder seh'n
Mit Gleißendem, Beißendem, Reißendem geh'n.
Sonst findest Du, glaub mir, dein eiskaltes Grab,
Zerrissen, zerbissen zu Lab und zu Stab."
Doch dieser geht weiter und schnakelt und steigt
Aufs Kreuzjoch, wo drüben das Hochthal sich zeigt.
Die Almhütte Els, die man schaudernd nur nennt
Liegt schwarz wie ein alterndes Grabmonument,
Und hinten der Gletscher despotisch und stolz.
Am Weg steht ein einfaches Bergkreuz von Holz,
Der Menschen Erlöser blickt mahnend vom Ast,
Als wollte er sprechen, kehr' ein da mein Gast.
Hans hemmet die Schritte, bekreuzt sich und knie't,
Und betet: O Herr send den Schutzengel mit;
Bekreuzet sich wieder, und wie er sich dreht.
Ein Bergmännlein bettelnd zur Seite ihm steht.
"Bin hungrig und durstig, leid' lange schon Noth." -
Gleich reicht ihm der Duxer vom Brandwein und Brot
Und will durch die Zuntern 9) hinunter ins Thal
Doch's Bergmännlein warnet, "Hans höre einmal,
Du wagest da unten gefährliches Spiel,
Der Böse spielt falsch - und der Tod ist dein Ziel;
Geh' heim, und komm wieder zurück an die Stell
Mit Gleißendem, Beißendem, Reißendem schnell.
Sonst wirst wie die Leichen dort, - schau nur hinab, -
Zerrissen, zerbissen zu Lab und zu Stab."
Sagt Hansel zum Männlein: So sprechen die Leut
Doch keiner von allen weiß, was es bedeut'.
Das Männlein: Das Gleißende, traun, ist dein Schwert,
Schleif's glänzend und schneidig - denn da liegt der Werth
Das Beißende, traun, ist dein wachsamer Hund,
Der sei dein Gefährte, der Zweite im Bund,
Das Reißende, traun, ist dein sichres Gewehr,
Nun geh, mit dem Dreibann komm Abends dann her.
"Vergelts Gott!" dankt Hansel, holt Schwert, Büchs und Hund,
Und steigt - schon ist's dunkel - hinab in den Grund.
Wohl sieht er die glotzende Schindmähr 10) im Plan,
Das sprengt wie ein frostiger Sturmwind heran.
Die Rüstern in Lüften, es stampfet und schnaubt,
Die borstige Mähne ftiegt wild um das Haupt,
Und rundum verbreitet sich Dampf und Gestank;
Der Kopf wird ihm schwindelnd, das Herz wird ihm krank.
So steht er gefroren 11), von Schrecken erfüllt.
Das Unthier bäumt auf sich und fletschet und brüllt:
"Hätt'st Gleißendes, Beißendes, Reißendes nicht.
Du tscheppernder Hafen der täglich zerbricht.
Ich würf' deine Scherben ins ewige Grab
Zerrissen, zerbissen zu Lab und zu Stab."
Drauf sprengt es von dannen, der Boden erbebt-
Mein Hans hat genug nun, ist froh daß er lebt!
Das Bergmännlein kichert von ferne und lacht,
Dock Hansel schleicht heim, schlieft ins Bett still und sacht
Und denkt: hol ein Andrer sich Binde und Schnur;
Der frevelnde Leichtsinn empört die Natur!

Die Braut spielt' als wäre mein Leben ein Halm
Auch sie ist ein Stück von dem Putz auf der Alm!
Und wie es um Ostern zum letzten geschneit
Da hat er ein anderes Mädchen gefreit.

1) Hochleger ist jener zuhöchst liegende Almtheil, wohin die Kühe im Hochsommer getrieben werden.
2) Das "Käs" nennt man in Dux und Pinzgau die Gletscher, Ferner, Eisberge.
3) Lab (Laub). - 4) Stab (Staub), - 5) Ahnl (Großmutter).
6) Huifeder, die krumme Spiel- oder Birkhahnfeder auf dem Jägerhut,
7) Rauten, die kostbare Edelraute, Artemisia mutellina,
8) Lannersbach ist das Pfarrdorf im Duxerthal,
9) Zuntern, die Legföhre, Pinus pumilio.
10) Schindmähr, alter Gaul, welcher der Wasenmeister (Schinder) überlassen wird,
11) Gefroren bedeutet "fest gebannt sein," die Jägermährchen erzählen, daß man durch einen gewissen Bannspruch "gfrorn" machen kann.

NB. Wer in diese Gegend kommt, steige vom Kreuzjoch eine halbe Stunde noch höher nach "Dettens" dort findet er einen Anblick auf die Gletscher von Dux und Zillerthal, welche die reichste Fantasie nicht erhabener darzustellen vermag.

Quelle: Märzenveilchen, Johann Nepomuk von Alpenburg, Innsbruck 1855, S. 13ff