Der Blutfleck
Einst lebte auf Schloss Tratzberg ein Ritter, der in allen irdischen Dingen einen großen Eifer entfaltete, aber die kleinste Mühe scheute, Gott, dem Herrn, zu dienen.
Die Schloßkapelle von Tratzberg, Tirol (Unterinntal)
Ablaßbrief (1516), neben drei Ablaß-Miniaturen, über
Opferstock
und Weihwasserbrunnen
Der Blutfleck ist, nach Auskunft des Grafen, heute nicht mehr sichtbar
© Berit
Mrugalska, 4. Juni 2004
Als nun an einem Sonntagmorgen in der Schlosskapelle die Feier
des Messopfers begann, kamen das Gesinde und die Nachbarsleute herbei,
nur der Ritter, der in einem Gemach neben der Kapelle auf seinem Lager
schlief, fehlte. Er hatte wohl den Klang des Glöckleins gehört,
doch fiel es ihm nicht ein, sich zu erheben und seiner Sonntagspflicht
zu genügen. Da erdröhnte, gerade als der Priester bei der Wandlung
den Leib des Herrn erhob, furchtbarer Donner, ein Erdbeben erschütterte
die Grundfesten des Schlosses und ein gellender Schrei drang aus dem Schlafgemach
des Ritters.
Voll Schrecken eilte man in das Zimmer. Doch das Bett war leer, von der Wand tropfte rauchendes Blut, ein entsetzlicher Gestank erfüllte den Raum. Der Satan selbst hatte den Ritter entführt! Die Blutspuren an der Wand des Zimmers aber waren noch lange Zeit zu sehen.
(nach: Karl Paulin, "Die schönsten
Sagen aus Nordtirol", Wagner'sche Universitäts-Buchhandlung,
dritte Auflage, 1948).
Quelle: Mit freundlicher Genehmigung von Graf Enzenberg, Tratzberg Juni 2004