Das Goldbergwerk im Wattental
Im "Silbernen Schwaz" stand der Silber- und Kupferbergbau um die Wende des 15. Jahrhunderts in hoher Blüte. Doch schon wenige Jahrzehnte später ging die Ergiebigkeit der Gruben stark zurück, und der massenhafte Abzug der protestantischen Knappen, die um ihres Glaubens willen außer Landes gingen, brachte auch viele hoffnungsvolle Grubenbaue zum Stillstand. Mit dem reichen Bergsegen ist es seither vorbei.
Einer von den Schwazer Auszüglern, der es nicht übers Herz brachte, der Heimat den Rücken zu kehren, suchte in der Umgebung von Wattens, das damals noch zur Gemeinde Kolsaß gehörte, sein Glück zu machen. Er wandte sich ins Wattental, umwanderte jeden rauchenden Kohlenmeiler, floh auch alle Orte, wo von aufgelassenen Meilern der Boden geschwärzt war und ihn die Nähe von Menschen vermuten ließ, und fand erst im letzten Talgrund Ruhe zum Bleiben. Als er da den Boden für seine erste Behausung aufwühlte, stieß er auf glänzendes, schweres Gestein. Das war, wie der Knappe gleich erkannte, schwer goldhaltig; denn er verstand sich darauf und hatte schon immer gehofft, bei der Arbeit einmal auf eine solche Goldader zu stoßen. In aller Stille machte er sich nun daran, an Ort und Stelle einen Stollen in den Hang zu treiben, und mit der Zeit förderte er viel Gold zutage, einen ganzen großen Schatz. Da meinte der glückliche Finder, er verdanke seinen Reichtum einzig dem Umstände, daß er allen Widerwärtigkeiten zutrotz der Heimat und seinem Glauben treu geblieben war, und daß nun alle Not ein Ende habe.
Allein, ob er sich mit der irdischen und himmlischen Heimat auch gutzustehen vermeinte, aller Anfeindung ledig, seinem Glauben in frommer Einfalt lebte und aus seiner Goldgrube in fleißiger Arbeit mehr Reichtümer schöpfte, als er je hätte verbrauchen können, vor den Menschen unten im Tale blieb sein Dasein auf die Dauer doch nicht ganz verborgen. Sie spürten ihm nach, erst im Drange reiner Neugier, später, als sie seinen Reichtum zu wittern begannen, von Habsucht und Mißgunst getrieben, und nach Jahr und Tag brachten sie es so halb und halb heraus, welche Bewandtnis es mit ihm und seinen verhohlenen Schätzen habe. Der Knappe sah den Tag kommen, wo sie ihm ans Leben gehen und sich seiner Goldgrube bemächtigen würden, und daß ihm, um Leben, Glauben und Gut zu behalten, nichts anderes übrigbliebe, als außer Landes zu ziehen. In einer stürmischen Nacht, wo er sich vor allen Nachstellungen sicher wußte, schüttete er sein Goldbergwerk zu, verwischte alle Spuren, die die Schatzstelle hätten verraten können, und wich von dannen. Er soll mit viel Gold und Geld nach Sachsen ausgewandert sein.
Nach dem verschütteten Goldbergwerk haben die Wattentaler jahrelang
gesucht, und immer wieder fand sich einer, der ging von Haus und Hof und
schwor, nicht wieder zurückzukehren, es sei denn als glücklicher
Finder des verborgenen Stollens und schwerreicher Mann. Manch einer ist
wiedergekommen, aber mit leeren Händen. Den Schatz hat keiner entdeckt.
Wie es heißt, soll ein Venedigermännlein das Gold weggezaubert
haben, irgendwohin an eine unwegsame Stelle im Wattental. Da war es noch
heute zu finden.
Quelle: Sagen aus
Wattens und Umgebung; gesammelt von den Schulkindern in Wattens und Wattenberg.
In: Wattener Buch, Beiträge zur Heimatkunde von Wattens, Wattenberg
und Vögelsberg. Schlern-Schriften 165, Innsbruck 1958. S. 309 - 326.