Der Kupferschatz in der Lizum
In dem großen Almdorf, das sich früher einmal mit seinen vielen Hütten in der Lizum breitmachte, verwendeten Senner und Sennerin, so lang der Sommer war, zur Käsebereitung große Kessel aus reinstem Kupfer. Die waren so schwer, daß etliche Ochsengespanne nicht vermocht hätten, sie von der Stelle zu rücken, und auch viel zu groß, als daß sie bei der Almabfahrt über die Wegengen hätten fortgeschafft werden können. Darum hoben die Almleute, ehe sie im Herbst talwärts zogen, große Gruben aus, da, wo die Kessel standen, senkten sie hinein und deckten sie randvoll mit Erde zu. Im Frühjahr, ehe die Almwirtschaft wieder anfing, wurde die Erde ausgeschöpft, und dann machte sich alles, was auf die Alm gezogen war, alt und jung und Mensch und Vieh an die Arbeit, auf sanft geneigter Bahn die Kessel wieder auf den Almboden heraufzuziehen. War das eine Plage Jahr um Jahr! Aber wie hätte man es besser machen sollen?
Einmal im Herbst, die Senner und Sennerin hatten jüngst erst die
Almabfahrt hinter sich gebracht und gingen daheim der Arbeit nach, einmal
im Herbst also brach in Wattens die Pest aus und holte sich aus jedem
Haus und jedem Hof Opfer um Opfer, bis der eisige Winter ihrem Wüten
ein Ende setzte. Im neuen Frühjahr, als man zur Almfahrt rüstete,
ach, da fand man von den einstigen Almleuten nicht Senn noch Sennerin
mehr; alle hatte die Pest dahingerafft. Neue Senner mußten gedungen
werden, und als die auf die Alm kamen, fanden sie allem fleißigen
Suchen zutrotz die vergrabenen großen Kessel nicht mehr. Die ganze
Alm suchten sie ab, gruben da und gruben dort und wendeten den ganzen
Almboden um, aber soviel sie auch suchten, nirgendswo stießen sie
auf das rotgoldene Metall. Der ganze große Kupferschatz der einstigen
Lizumer Alm ist auch bis auf den heutigen Tag nicht wieder zum Vorschein
gekommen.
Quelle: Sagen aus
Wattens und Umgebung; gesammelt von den Schulkindern in Wattens und Wattenberg.
In: Wattener Buch, Beiträge zur Heimatkunde von Wattens, Wattenberg
und Vögelsberg. Schlern-Schriften 165, Innsbruck 1958. S. 309 - 326.