DAS FÜGENER SCHLOSS
Zu jener Zeit, als sich dies zutrug, hauste im Fügener Schloss der Fiegergraf mit seiner schönen Gemahlin. Die beiden waren kinderlos, und darum wendete die Frau, die ein besonders mildtätiges Herz hatte, ihre ganze Fürsorge den Armen der Umgebung zu, die sie wahrhaft mütterlich betreute. Nicht einer, der bittend ans Tor pochte, wurde abgewiesen, und die gute Frau hätte wohl lieber selber gehungert, als einen ihrer Mitmenschen darben zu sehen.
Eingangstor des Fügener Schlosses, der heutigen Bubenburg (Seraphisches
Liebeswerk seit 1926)
© Berit
Mrugalska, 4. September 2004
Bronzetafel an der Eingangsfassade der Bubenburg
Refrain (Noten und Text) vom Weihnachtslied "Stille Nacht"
IM JAHRE 1802 ERWARBEN DIE GRAFEN DÖNHOFF
DIESES 1550 VON GEORG VON KEUTSCHACH ERBAUTE SCHLOSS.
KAISER FRANZ I. VON ÖSTERREICH
UND ZAR ALEXANDER I. VON RUSSLAND
BESUCHTEN 1822 DIE GRAFEN DÖNHOFF IN DIESEM SCHLOSS.
BEI DIESER GELEGENHEIT TRUGEN
DIE RAINER SÄNGER AUS FÜGEN
DEN HOHEITEN DAS LIED
"STILLE NACHT" (ALTER TITEL "TIROLER LIED") VOR.
VON HIER AUS NaHM DIE VERBREITUNG DIESES LIEDES
ÜBER DIE GANZE WELT IHREN AUSGANG.
URMELODIE UND TEXT VON
FRANZ XAVER GRUBER UND JOSEPH MOHR - 1818
SIND AUF DIESER TAFEL ZU LESEN.
© Berit
Mrugalska, 4. September 2004
Nun konnte man den Grafen gewiss auch einen guten Mann nennen. Die übergroße
Freigebigkeit seiner Gemahlin bereitete ihm aber doch einige Sorgen, weil
er fürchtete, sie würde nach und nach alles verschenken, sodass
sie beide zuletzt noch selbst zum Bettelstab greifen müssten. Geben
ist schon recht, dachte er, aber alles hat seine Grenzen. Da er seine
Gemahlin in dieser Sache aber nicht zur Rede stellen wollte, damit sie
ihn nicht etwa für hartherzig ansehe, suchte er einen anderen Weg
und beschloss, sich beim Herrgott selbst Rat zu holen.
Wallfahrtskirche am Marienberg "Maria unbefleckte
Empfängnis", Fügen
Barocker Zentralbau, 1715-1721 erbaut
Stifter Graf Johann Michael Fieger
Vgl. Kirchen und Kapellen der Ferienregion Fügen Hochfügen Zillertal,
2002
© Berit
Mrugalska, 4. September 2004
Zu diesem Zweck wanderte er hinauf zum Marienbergl, wo einer seiner Ahnen
eine hübsche Kapelle erbauen hatte lassen. Dort kniete er sich in
die Betbank und hielt lautlose Zwiesprache mit dem Herrn. Als er danach
ins Freie trat, hatte er eine höchst seltsame Erscheinung: Unter
ihm lag das Schloss, auf dem Dach desselben stand ein strahlender Engel,
der unablässig zur Dachluke hineinschöpfte. Was es war, das
konnte man nicht ausmachen, der Graf aber verstand das Zeichen des Himmels:
Durch Gottes Segen kommt tausendfach herein, was eine milde Hand den Armen
gibt. Fortan hatte der Graf keinerlei Bedenken mehr, seine edle Gemahlin
könnte ihn an den Bettelstab bringen.