Die Grubenhexe

In der "Außergrube" am Schwendberg hauste vor langer Zeit ein altes Weiblein, das schneidern konnte und zwei junge Bauernmädchen in der Lehre hatte. Die beiden verköstigte sie auch - und das recht ordentlich. So gab es zum Beispiel jeden Morgen Butter und Honig zum Kaffee. Die beiden Mädchen wunderten sich darüber, denn die Alte hatte weder eine Kuh im Stall noch ein Bienenhaus im Garten, und im Dorf unten eingekauft wurden diese Sachen auch nicht.

Als die beiden Nahterinnen einmal allein waren, suchten sie im Haus herum und fanden dabei in der Speisekammer eine Schüssel, in der ein Totenkopf lag. Als sie ihn genauer betrachteten, sahen sie, dass er Honig schwitzte. Ein andermal beobachteten sie die Alte, wie sie hinter der Küchentür am Handtuch zog und fette Milch daraus molk.
Von der "Gruabnhex"' sind freilich auch weniger gute Taten bekannt geworden. So wollte der Bauer von "Mittertal" zu Bruch am Schwendberg einmal buttern, was ihm aber nicht gelang, weil der Rahm nach drei Stunden immer noch lauter blieb. Weil ihm das schon öfter passiert war, holte sich der Bauer beim Hippacher Pfarrer Rat. Wieder daheim, schickte er die Hausleute aus der Stube und verriegelte die Tür. Dann zog er die Vorhänge zu, machte den Schürhaken glühheiß und stieß ihn durchs Spundloch in den Butterkübel. Es tat einen Zischer, und von da an ging das Buttern wie geschmiert.

Kurz darauf kam ein Bub von der "Innergrube" dahergelaufen. Als man ihn nach dem Wohin fragte, sagte er, er müsse schnell zum Doktor springen, weil sich die Bäuerin in der "Außergrube" arg gebrannt habe.

Quelle: Hifalan & Hafalan, Sagen aus dem Zillertal, Erich Hupfauf, Hall in Tirol, 2000, S. 93f.