DAS HAMBERGER SCHLOSS

Auf dem Hamberg standen in alter Zeit zwei Schlösser. Das eine in Helfenstein, von dem der Weiler seinen Namen hat, das andere hoch droben auf dem Hamberg, das von jeher das "Hamberger G'schloß" heißt. Beide Schlösser soll ein unterirdischer Gang verbunden haben, der im Bauernhaus beim "Kölbl" seinen Eingang hatte. Dieser ist zwar schon lang vermauert, aber im Keller sind tatsächlich noch behauene Steine eingebaut, die nur von einem alten, massiven Bau stammen können. Auch Steintrümmer vom alten Schloss sind noch zu finden. An manchen Stellen kann man auf dem ehemaligen Zufahrtsweg zum Schloss sogar die Fahrrinnen sehen, im Lauf der Jahrhunderte vom Regen ausgewaschen und verbreitert. Heute sehen sie wie schmale Gangsteige aus, die über den Sattelgrat führen. Das Hamberger Schloss hatte einen hohen Turm, und darin hing eine große, silberne Glocke, die nur zu gewissen Zeiten und bei bestimmten Anlässen geläutet werden durfte. Ihr voller Ton war durchs ganze Tal zu hören. Das Silber hatte man aus dem Eggertal zu Hart genommen, wo es haufenweise in gediegenem Zustand zu finden war.

Lange Zeit hindurch führten die Schlossherren ein beschauliches Leben. Sie waren gottesfürchtig und gut zu ihren Untertanen und wurden von den Leuten geachtet und verehrt. Der letzte Spross der adligen Herren führte jedoch einen bösen Lebenswandel, war geizig, hartherzig und ungerecht. Darum strafte ihn das Schicksal. Ein furchtbares Erdbeben erschütterte die Gegend und legte das Schloss in Trümmer. Der Schlossherr blieb dabei wie durch ein Wunder unverletzt. Der Himmel wollte ihn durch dieses Zeichen an die Vergänglichkeit alles irdischen Glanzes gemahnen, auf dass er sich besinne und ein besseres Leben beginne. Der trotzige Mann, dessen Sinn auf Macht und Reichtum gerichtet war, beachtete den Wink des Himmels nicht. Sein erster Gedanke galt den Schätzen, die er so zu verstecken gedachte, dass kein Mensch sie je zu finden vermöge. Zu diesem Zweck hob er unter der Glocke, die durch Gottes Fügung unversehrt geblieben war, eine Grube aus. Da hinein stieß er die silberne Glocke, sodass sie mit der Krone nach unten zu liegen kam. Dann scharrte er sein ganzes Silbergeld und alle Edelsteine zusammen und schüttete den Reichtum in die Glocke und füllte sie damit bis zum Rand. Da er schon Leute aus dem Tal den Berg heraufkommen sah, begann er in aller Eile, die Grube zuzuwerfen. Dabei ereilte ihn das Verhängnis. Der Boden, auf dem er stand, gab plötzlich nach, und er fiel kopfüber in die Grube. Erde und Steine rutschten nach und deckten ihn zu. So hatte er sein eigenes Grab geschaufelt, konnte nun für immer den Schatz hüten, an dem ihm so viel gelegen war.

Seit jener Zeit geistert der letzte Schlossherr auf dem Berg herum und findet keine Ruhe. Nur ein kleiner, blondgelockter Hirtenknabe, der reinen Herzens ist, könnte ihn erlösen und den Schatz heben ...

Quelle: Hifalan & Hafalan, Sagen aus dem Zillertal, Erich Hupfauf, Hall in Tirol, 2000, S. 36