DIE HARTBERGER HEXE
Auf dem Hartberg soll vor Jahren eine Hexe gehaust haben. Die Leute hatten ihre Not mit ihr, denn sie war die ausgemachte Bosheit selber. Am liebsten betrieb sie das "Wettermachen". Da kam sie auf einem Besen durch die Luft geritten, hockte sich in eine Felsnische und zauberte mir nichts dir nichts ein Gewitter mit Blitz, Donner und Hagelschlag aus den Wolken. Oft genug ging den Bauern dabei die ganze Ernte zugrunde.
Die Leute bekamen sie nur höchst selten zu sehen, denn meist blieb sie unsichtbar. Wer sie aber doch einmal zu Gesicht bekam, vergaß den grausigen Anblick sein Lebtag lang nicht mehr. Einmal sah sie einer auf dem Schmaleggschrofen droben im Eggertal hocken, wo sie mit einem spitzen Eisen im Schiefergestein "herumstocherte". Und weil der Bursch kein Hasenfuß war, rief er ihr zu: "Was tust du denn da?"
"Wetter machen", krächzte sie zurück.
"Und wohin machst denn das Wetter?", wollte er wissen.
"Auf den Hartberg", höhnte sie bissig. "Aber wenn die Leut' anfangen zu glinggeln und zu glanggeln, dann können sie es wegderzanggeln."
Der Bursch hatte recht verstanden, machte kehrt und sprang hinunter gegen Hart, holte sich den Mesner und lief mit ihm zur Harter Kapelle. Dort begannen sie mit der dafür geweihten Glocke gleich zu "glinggeln" und zu "glanggeln" und vertrieben damit das drohende Unwetter.
Kein Wunder, dass die Hartberger Hexe auf diese Wetterglocke nicht gut zu sprechen war, die ihr jeden Spaß verdarb. Als sie mit ihrem hellen Geläute wieder einmal ein Wetter vertrieb, packten die Hexe eine ohnmächtige Wut und maßloser Ärger. Fauchend flog sie um den Glockenturm und biss in den Rand der Glocke. Vor dem Ersten Weltkrieg hat man die Kratzer davon noch sehen können. Dann sind aus der segensreichen Wetterglocke Granaten gegossen worden.
Die Hartberger Hexe verstand es auf ganz verschiedene Weise, Wetter zu machen. Einmal wurde sie unterm Wiedersberger Horn an einer "Krotenlacke" beobachtet, wie sie mit einer Haselrute öfter kreuz weis' das Wasser peitschte. Bald daraufbrach ein Hagelwetter los.
Ein anderes Mal wurde sie im Wald angetroffen, wo sie im Moos saß, von ihren Haaren ein paar Strähnen ausriss und zu kleinen "Wuzeln" zusammendrehte. Als sie bemerkte, dass sie dabei beobachtet wurde, fuhr sie in die Luft und verstreute die Haarwuzeln im Wind. Im selben Augenblick prasselte ein Hagelschauer nieder, und als man ein paar Körner zertrat, fand man in jedem einen Haarwuzel.
Neben dem Wettermachen betrieb die Hartberger Hexe allerlei böse Künste. Sie spielte den Leuten einen Streich um den andern. So nahm sie den Kühen die Milch oder ließ sie schon im Euter sauer werden, sie blies der Bäuerin das Herdfeuer aus, wenn gerade Kochenszeit war, und sie ließ den Holzknechten den Hackenstiel oder das Sägeblatt brechen und derlei mehr.
Besonders gern hielt sie sich in den Butterkübeln auf und machte
die Butter ranzig. Dabei zahlte sie freilich einmal ganz arg drauf. Eine
Dirn hatte gemerkt, dass es mit dem Buttern nicht recht zuging, machte
den Schürhaken heiß und stieß ihn beim Zapfenloch in
den Kübel. Da dampfte und zischte es eine Weile, in der ganzen Stube
roch es nach verbranntem Hörn. Das Buttern ging dann anstandslos
vor sich. Am nächsten Tag aber wurde die Hexe auf einer Bergwiese
gesehen, wo sie unter einer Staude hockte. Ihr Gesicht war verbrannt,
die böse funkelnden Augen waren arg verschwollen, und ringsum roch
es wie bei einem Hufschmied.
Quelle: Hifalan & Hafalan, Sagen aus dem Zillertal, Erich Hupfauf, Hall in Tirol, 2000, S. 25