Die schwarze Katze
Da ging einmal ein Bauer vom Penzinghof auf dem Ramsberg hinunter nach Hippach zur Musikprobe. Es war schon beim Dunkelwerden, als er über die Zillerbrücke ging. Da saß auf dem Geländer eine schwarze Katze und miaute gottesjämmerlich. Der Bauer blieb stehen, streichelte ihr das Fell und fragte:
"Ja, Muinze, was hättest denn gern?"
"Du könntest mich erlösen", antwortete die Katze. "Musst aber ein ganzes Jahr lang um Mitternacht auf den Hippacher Friedhof gehen und ein Vaterunser beten. Wenn du es einmal vergisst oder zu spät kommst, war alles umsonst."
Der Bauer beschloss, das Opfer auf sich zu nehmen, um die arme Seele zu erlösen. Jede Nacht ging er zum Friedhof und verrichtete dort sein Gebet. Und wenn er auf dem Heimweg über die Brücke ging, saß stets die schwarze Katze auf dem Geländer, hatte aber jedesmal in ihrem Fell ein Schöpfel weiße Haare mehr. Der Bauer hielt seinen Vorsatz, und als das Jahr um war und er das letzte Mal vom Friedhof zurückkam, saß auf dem Brückengeländer ein weißer Jüngling.
"Jetzt bin ich erlöst", sagte er, "und du brauchst dich vorm Sterben nimmer zu sorgen." Darauf verschwand er.
Quelle: Hifalan & Hafalan, Sagen aus dem Zillertal, Erich Hupfauf, Hall in Tirol, 2000, S. 78f.