Das Weiblein vom Penkenjoch
Auf der Lämmerbichlalm wurde zum Abtrieb gerüstet. Die Käsekessel waren blank geputzt, Rahmschüsseln und Butterfass gesäubert.
Kopfputz und Schellen für das Vieh lagen bereit, beim Taggrauen sollte die Heimfahrt beginnen. Am letzten Abend saß man gemütlich in der Hütte ums flackernde Herdfeuer beisammen, während draußen ein schweres Gewitter niederging; es blitzte und krachte, dass man meinen hätte können, die Welt gehe unter.
Plötzlich öffnete sich die Hüttentür, und ein altes Weiblein betrat die Stube. Mit erhobenen Händen beschwor es die Almer, trotz Nacht und Wetter sofort aufzubrechen, um dem Unglück zu entgehen. Da gab's betroffene Gesichter, schließlich wurde der Rat aber doch befolgt. Bald setzte sich der Zug in Bewegung, das Weiblein ging voraus und leuchtete mit einem blauen Licht durch die Dunkelheit.
Als sie den halben Weg hinter sich hatten, fuhr ein Blitz auf die Alm nieder, und in seinem Schein war es deutlich zu sehen: Die Lämmerbichlalm lag unter einem Felssturz begraben.
Zum Dank für die Rettung schenkten die Almer dem alten Weiblein ein paar warme Sachen. Da schlug die Alte jammernd die Hände vors Gesicht und klagte laut: "Warum sagt denn nicht einer Vergelt's Gott?
Dann war ich endlich erlöst. Jetzt muss ich wieder zurück aufs
Joch." Damit verschwand sie in der Dunkelheit.
Quelle: Hifalan & Hafalan, Sagen aus dem Zillertal, Erich Hupfauf, Hall in Tirol, 2000, S. 129f.