Die Rossplatte
In Elseck, wo die Gemeindegrenze zwischen Finkenberg und Tux verläuft, saß in der Heiligen Nacht auf dem Elsenhof der Bauer mit seinem Knecht beim Kartenspiel. Daneben wurde fleißig dem Schnaps zugesprochen, und so ist es kein Wunder, dass die beiden auf lästerliche Gedanken kamen.
"Traust dich heut' in der Geisterstund' auf die Alm?", spöttelte der Bauer. "Wenn du mir den Dreifuß aus der Kuchl bringst, kriegst eine Flasche Enzian."
"Eing'schlagn!", lachte der Knecht, den der Schnaps mutig gemacht hatte. Er setzte den Hut auf, nahm den Bergstock und ging.
Als er auf der Alm ankam und die Hüttentür öffnen wollte,
spürte er einen Widerstand. Ein Tritt mit dem Fuß, der Tür
gab's einen Ruck, dann steckte sie wieder. Als der Knecht durch den Spalt
schaute, sah er ein schwarzes Ross, das auf dem Boden lag und sich gegen
die Tür stemmte. Ganz umsonst wollte er den Weg aber nicht gemacht
haben. Also ging der Knecht um die Hütte herum, drückte das
Fenster ein, hinter dem er den Herd wusste, griff sich den eisernen Dreifuß
und machte sich auf und davon. In diesem Augenblick schlug Feuer aus dem
Hüttendach. Aus den Flammen sprang das wilde Pferd, nun selbst feurig
geworden. Der Knecht erreichte noch eine Felsplatte, dann hatte ihn das
Ross eingeholt, es bäumte sich auf und zermalmte den Frevler unter
seinen Hufen. In der Heiligen Nacht geht nämlich kein Christenmensch
aus dem Haus - außer zur Mette. Auf jener Felsplatte sind seit damals
die Eindrücke riesiger Pferdehufe zu sehen, und darum heißt
sie bis auf den heutigen Tag "Roßplatte".
Quelle: Hifalan & Hafalan, Sagen aus dem Zillertal, Erich Hupfauf, Hall in Tirol, 2000, S. 130f.