Die Steinböcke
Als es im Zillertal noch Steinböcke gab, kannte die Jagdleidenschaft keine Grenzen. Was es da an Gewalttaten gab, hätte auf keiner Kuhhaut Platz. Die Toten wurden reihenweise auf den Friedhof gebettet, einmal war's ein Wilderer, dann wieder ein Jäger.
Steinbock in den Tiroler Bergen
© Heinz Plattner 2003
Ein Jagdhüter, der in Dornauberg seinen Dienst versah, traf in der "Gunggl" beim Wasserfall auf zwei Wilderer, die einen Steinbock ausweideten. Er wollte die Diebe festnehmen, wurde aber von den beiden überwältigt. Sie banden ihn an ein Seil und hängten ihn über die Wand hinaus in den Wasserfall. Nach einer Weile zogen sie ihn wieder heraus und forderten ihn auf zu schwören, sie nicht zu verraten. Der Jäger weigerte sich, hätte er damit doch den Eid brechen müssen, den er seinem Arbeitgeber, dem Salzburger Erzbischof, lang zuvor geschworen hatte. Da hängten ihn die zwei Wilddiebe abermals über die Wand hinaus in den Wasserfall und schnitten das Seil durch.
Ein andermal ließ der Jagdherr einen unverbesserlichen Wilderer auf den Rücken eines Steinbocks binden und diesen übers Gewänd hinaus jagen, sodass Wilderer und Bock am Fuß des Abgrunds zerschmettert liegen blieben. Diese Untat musste der Jagdherr nach seinem Tod viele Jahre büßen. Hirten und Bergwanderer wollen ihn von Zeit zu Zeit gesehen haben, wie er auf dem Rücken eines Steinbocks in den Felsen dahinjagte.
Zuletzt wanderten die Steinböcke von selbst aus. Sie sollen dabei
viele Tränen vergossen haben. In der Dornaubergklamm ist auf einem
Stein der Hufabdruck des letzten Steinbocks zu sehen.
Quelle: Hifalan & Hafalan, Sagen aus dem Zillertal, Erich Hupfauf, Hall in Tirol, 2000, S. 124.