DER HAUSGEIST
Bei Steeg zeigt man einen Platz, auf dem einst ein Haus gestanden ist, und erzählt davon folgende Geschichte:
Der Mann, dem das Haus gehörte, hielt sich als Hausierer im Auslande auf. Da kam er einmal zu einem reichen Herrn, der sehr traurig war. Der Hausierer fragte den ernsten Mann gar zutraulich um die Ursache seiner traurigen Stimmung. Darauf erwiderte der Herr: "Wie soll ich heiter sein, wenn der Hausgeist mir keine Ruhe läßt, und ich vor ihm nicht einmal des Lebens sicher bin. Wer für dies Hausübel ein Kraut wüßte, dem wollte ich's gut lohnen." Der Lechtaler sagte, wenn es nur das sei, so wolle er schon helfen. Sie wurden bald des Handels einig, und der Lechtaler erhielt für die Übernahme des Koboldes einige hundert Gulden. Und siehe, zu derselben Stunde, in der der Handel abgeschlossen wurde, gab's im Hause bei Steeg einen Höllenlärm. Es war gerade, als ob Wägen ins Haus rollten und Pferde hineintrampelten, doch sah man weder Mann noch Maus. In der Nacht wiederholte sich der Lärm, und ein Kind wurde vom Geist erwürgt. Nicht besser gieng es in der zweiten Nacht zu, so daß am dritten Tag die geängstigte Familie aus dem Haus zog. Bald darauf kam der Mann aus der Fremde zurück, und suchte bei Geistlich und Weltlich Hilfe, jedoch vergebens. Alle Gebete und Exorcismen halfen nichts. Da ließ er das Haus abbrechen und an einem anderen Platz aufbauen; nur die Türschwelle wurde an Ort und Stelle zurückgelassen, damit das Gespenst auf dem Platz gebannt bleibe. (Lechthal.)
Quelle: Sagen aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben
von Ignaz V. Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 821, Seite 482