Der feurige Hirte
Bei Ried in Oberinnthal war einmal eine arme Witwe, welche ihre einzige
Nahrungsquelle, eine Kuh, im Sommer einem Senner übergab, um sie
auf die Alpe zu treiben. Der Hirte, welcher mit dem Viehe sehr grausam
umgieng, trieb auch mit der Kuh sein Spiel und warf sie eines Tages in
einen Abgrund hinab. Als das arme Weib hörte, daß der Senner
ihre Kuh getödtet habe, verwünschte sie ihn und sagte: "Du
sollst auch in deinem Grabe keine Ruhe haben." - Seit diesem Tage
siechte er hin und starb binnen Jahresfrist. Seit dieser Zeit wandelt
er als Geist herum, brennend und vor Schmerz heulend. Er trägt einen
Mühlstein auf dem Rücken, und wenn er an jenen Abgrund gekommen
ist, so wirft er den Stein hinab, muß ihm aber nachlaufen und ihn
wieder herauftragen. So muß er für seinen Übermuth büßen,
bis er endlich erlöst wird, oder wenn das nicht geschieht, so muß
er bis auf den jüngsten Tag leiden. (Oberinnthal.)
Quelle: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben von Ignaz Vinzenz Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 389, Seite 227.