Die gefrorene Wand
Die Gegend, wo dieselbe jetzt steht, war in der Urzeit eine große,
blühende Alpe gewesen, voll edler und würziger Kräuter.
Milch und Butter so süß und schmackhaft, wie sie jetzt nicht
mehr gedeiht, gab es in Fülle. Das Alpenvolk schwelgte in Übermuth,
ward gottvergessen und trieb argen Frevel mit der lieben Gottesgabe. Aus
Butter wurden Kegel geformt, und Kugeln aus Butter walzten auf dieselben.
Doch bald strafte der Herr solch' sündhaftes Spiel. Ein eisiger Odem
blies im Sturmgebrause von oben herab. Augenblicklich verdorrten die Alpenblumen,
sie waren für immer erstorben, und die Buttermassen wurden Eis -
die gefrorene Wand. (Dux. Staffler I, 965.)
Quelle: Sagen aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben von Ignaz V. Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 648, Seite 368.