Hexen im Keller
Ein Mädel gieng an bestimmten Tagen immer früher als gewöhnlich
aus der Spinnstube. Das fiel einer Kameradin auf und sie schlich ihr nach.
Da sah diese, wie jene in die Küche gieng, sich dort mit einer Salbe
einschmierte und mit den Worten: "Obenaus und nirgends an!"
durch den Kamin hinauffuhr. Das kann ich auch probieren, dachte sich die
Zurückgebliebene, schmierte sich mit der Salbe und fuhr ihrer Gefährtin
nach. Es gieng lange durch die Lüfte fort, bis sie endlich vor einem
Keller niedersank, in den sie hineingieng. Da war Musik und Tanz, und
Gesottenes und Gebratenes stand auf den Tischen. Die ganze Nacht wurde
gezecht, getanzt und gelärmt, bis es Ave-Maria läutete. Da zerstob
alles wie der Wind, nur das Mädel, das nicht zu den Hexen gehörte,
blieb im geschlossenen Keller zurück. Mit genauer Noth kam sie, als
die Hausleute Wein holten ohne Schläge davon und wollte seitdem vom
Ausfahren nichts mehr wissen. (Grins.)
Quelle: Sagen aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben von Ignaz V. Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 718, Seite 407f.