Der Hirt in Verwall
Auf der Ochsenalpe in Verwall hütete ein Bursche von achtzehn Jahren,
der eine Kuh durchaus nicht leiden konnte. Das Vieh war ihm so verhaßt,
daß er an einem Abhange Rinden legte. Als die Kuh auf dieselben
trat, rutschte sie aus und fiel in die Tiefe. Bald darauf starb der Hirte
und mußte auf der Alm umgehen. Oft wurde er gesehen und manchmal
redete er mit den Leuten. Einem bekannte er, daß er so lange leiden
müsse, bis er die ganze Kuh, die sechzig Gulden werth war, abgebüßt
habe. Ein Jahr werde nur als ein Pfennig abgeschrieben. Wenn er bei seinem
Tode volljährig gewesen wäre, hätte ihm nichts vor der
Hölle geholfen. Manchmal gab er den Sennen gute Räthe und redete
ihnen zu Gewissen. (Grins)
Quelle: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben von Ignaz Vinzenz Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 390, Seite 227.