Doktor Teophrastus Paracelsus
Eine Weile hatte Theophrast auch zu Innsbruck seinen Aufenthalt. Da machte er an heitern Sonntagen gerne gegen das Ambraser Schloß seine Spaziergänge. Wie er einmal so dichtend und trachtend vorwärts schlenderte, führte ihn der Weg an einem Bauernhof vorüber. Unter der Hausthüre stand die Bäurin und lud ihn freundlich ein, er möge ein wenig zukehren.
"Ich habe gerade zum Mittagsmahl Kuchen gebacken," sprach sie, "und die sind mir so gut gerathen, daß du ein Paar nicht verschmähen darfst."
Der Doktor folgte dem Weib in die Küche und ließ sich das frische Backwerk tüchtig schmecken; es war wirklich sehr gut und durchlockert wie ein Bienenfladen. Dann sagte er:
"Weil du mit mir so gut gewesen, obwohl ich dir ein landfremder Mensch bin, sollst du auch von mir eine Gefälligkeit haben, an die du länger denkst."
Er zog ein Büchslein aus der Tasche seines faltigen Mantels und bestrich mit einer gelblichen Farbe die Hälse der Feuerzangen. Augenblicklich war das Eisen in pures Gold verwandelt und schimmerte, wie das Feuer auf dem Herd. Die Sage läßt dieses seltene Stück in der Ambraser-Sammlung aufbewahrt werden. (Hall.)
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Nach andern ist Theophrast auch in Innsbruck gestorben. Die Sage erzählt darüber folgendes: Theophrastus war ein so geschickter Doktor, daß man in allen Landen keinen besseren erfragen konnte. Leute, die schon ganze Apotheken verschluckt und denen alle Arzte schon das Leben abgesagt hatten, machte er wieder gesund und frisch. Mit Theophrasts Geschicklichkeit hatte es aber dieses Bewandtniß: Er war im Besitz eines Haselwurms; wenn er nun auf das Feld hinaus wandelte Kräuter zu suchen, redeten diese und thaten ihm kund, gegen welche Übel und Krankheiten sie gut wären. Die übrigen Ärzte zu Innsbruck wurden gelb und mager vor Ärger und Verdruß, da der Zulauf zu Theophrast von Tag zu Tag stärker wurde; sie faßten den Entschluß, ihn aus der Welt zu schicken. Endlich glückte es ihnen dem berühmten Doktor Gift beizubringen. Sobald dieser es gewahrte, schloß er sich ein und verbot dem Bedienten auf's strengste, vor Ablauf von fünf Tagen die Thüre zu öffnen. Als Theophrast in seinem Gemach allein war, nahm er eine Kreuzspinne in den Mund, diese sollte ihm das Gift wieder Heraufziehen; aber dem Bedienten, welcher es andere Male nicht immer so genau gehalten und oft fünfe hat grad sein lassen, packte gewaltige Neugierde und Besorgniß, wie es seinem Herrn wohl gehe. Er konnte nicht länger widerstehen und öffnete schon am vierten Tage die Thüre. Da ließ die Spinne das Gift, welches sie schon fast ganz herauf hatte, wieder zurückfallen. Nun wußte Theophrast, daß es für ihn am gerathensten sei, sich auf die baldige Einberufung zur großen Armee hinüber gefaßt zu machen. Er übergab seinem Diener ein Büchslein mit der Weisung, es sogleich in den Inn zu werfen und fleißig Acht zu geben, was dann im Wasser vorgehe. Wäre dieser Mensch recht bei Sinnen gewesen, so hätte er jetzt für immer sein Glück machen können, denn es lag ihm in den Händen. Aber er gieng hinaus auf die Innbrücke und warf das Büchslein hinab in die Fluth. An der Stelle, wo es hineinfiel, entstand ein goldgelber Streifen, Als er davon seinem Herrn Meldung that, sagte dieser:
"Ich sehe du hast meinen Auftrag vollzogen. Die Goldtinktur ist nun im Wasser, und so ist's recht! Weil ich durch die Mißgunst der Aerzte und deinen dummen Ungehorsam aus der Welt scheiden muß, soll niemand mehr davon etwas haben!"
Wenige Tage darauf schlug dem Doktor sein Sterbestündlein. Als man
ihn zu Grabe trug, folgten alle aus Innsbruck und der Umgebung, denen
er das Leben gerettet, seinem Sarg. (Hall und Innsbruck.)
Quelle: Sagen aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben von Ignaz V. Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 813/3 u. 4, Seite 476ff.