Die Seeschlange
Vor uralter Zeit, als nur Wald in der Gegend von St. Ulrich war und ein
wildes Volk darinnen wohnte, war an recht schönen Tagen eine Seeschlage
am Ufer des Seen gesehen worden. Einstmals kamen nun Ritter zu diesem
See und diese wollten nun im Mondschein auf dem See herumfahren. Aber
die Bauern, welche sich vor der Schlange fürchteten, riethen den
Rittern davon ab und erzählten ihnen von derselben. Da verlangten
Die Ritter diese Schlange zu sehen und ließen sich durch nichts
abhalten, so daß sie wirklich auf den See hinausfuhren und dort
sie Schlange sahen, sie so schön war, daß ein jeder sie besitzen
wollte. Als sie ein andermal wieder zu dem See kamen, wollte der kühnste
von ihnen auf diese Schlange schießen, aber da schlug plötzlich
sein Kahn um und er ertrank. Dem zweiten war es ebenso gegangen, der dritte
jedoch wollte der Schlang e nicht wehe thun, nahm ein Fischernetz und
warf es aus, um so die Schlange zu fangen. Und als er sie so wirklich
gefangen hatte, war er gar sehr erfreut darüber und trug sie nach
hause, wo sich die Bauern vor dem Thiere fürchteten. Er ließ
eine große Wanne machen und pflegte darin die schöne Schlange.
Als er aber wieder einmal nachsehen gieng, fand er statt derselben eine
wunderschöne Jungfrau. Diese dankte nun dem Ritter, daß er
sie erlöst habe, denn sie war eine verwünschte Prinzessin. Nachdem
die beiden geheiratet, lebten sie viele Jahre glücklich und fromm
und bauten ein schönes Kloster. Heutzutage ist noch eine Stiftung,
welche von der Seeschlange herstammt. (Fieberbrunn.)
Quelle: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben von Ignaz Vinzenz Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 238, Seite 147.