STAMPA
Stampa geht in der Gegend von Nassereith um und sucht Kinder und Wöchnerinnen zu entführen. Deßhalb müssen die Männer auf ihre Frauen und die neugeborenen Kinder wohl acht haben und dabei wachen. Einmal - es sind etwa sechzig Jahre her - wachte ein Mann bei seinem Weibe, das in dem Wochenbett lag. Plötzlich hörte er die Stampa kommen und schrie: "Weib, die Stampa ist da!" Wirklich sah er auch ihren Roßkopf. Sie floh, jedoch ohne Schaden anzurichten fort, weil der Mann gewacht hatte. Dies hat sich im Weiler Dormitz zugetragen. - Eines Abends befand sich in einer Bauernstube zu Nassereith ein Kind allein. Da schaute Stampa zum Fenster hinein, nahm das Kind und trug es fort, mußte es aber unter einem Baume liegen lassen, unter dem das Wasser, in dem man das Kind nach der Taufe gebadet hatte, ausgeschüttet war. Es ist das überhaupt der Fall, daß Stampa das Taufwasser scheut und an Orten, wo nur ein Tropfen davon haftet, die Gewalt verliert. Stampa schaut wie ein gespenstisches Weib aus, hat jedoch einen Roßkopf, den sie nicht selten zum Fenster hineinsteckt. - Manchmal erscheint sie mit einer langen Nase. Darauf hat folgendes Bezug: Wie sie wieder einmal umgieng, fand sie einen Schuster noch spät abends arbeiten. Sie schaute nun in die Stube hinein und fragte: "Schuster, wie gefällt dir meine lange Nase?" Der Schuster war nicht faul, nahm den Leisten, hielt ihn dem Gespenst vor und that die Gegenfrage: "Stampa, wie gefällt dir mein Leisten?" Da eilte Stampa lachend davon. Vorzüglich soll Stampa um Weihnachten umgehen. (Nassereith.)
Quelle: Sagen aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben
von Ignaz V. Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 41, Seite 26