Versunkenes Dorf
In Almajur bei Kaisers stand einst ein schönes Dorf und in der Nähe war ein Silberbergwerk, welches sehr ergiebig war. Die Leute wurden reich, aber auch so übermüthig, daß sie sagten, sie brauchten das Licht Gottes, die Sonne gar nicht und könnten ihre Häuser selbst erleuchten; darum schlossen sie am hellen Tage Thüren und Fenster zu. Aber zur Strafe versank das ganze Dorf in die Erde, daß man nicht mehr wußte, wo es gestanden. Lange Zeit nachher gieng einmal ein Mann aus Hägerau in der Nacht über Almajur und kam in einen unterirdischen Gang. Er zündete eine Kerze an, gieng weiter und kam in den Chor einer Kirche, deren Altar mit silbernen Leuchtern geschmückt war. Als er sich weiter umsah, erblickte er zu hinterst in der Kirche in einem Stuhle einen Mann, welcher vom Schlafe erwachte und den Wanderer nach der Jahreszahl fragte. Als er sie gehört hatte, seufzte er: "Es ist noch nicht Zeit!" und sank in den Schlaf zurück. Da wandelte den Hägerauer ein Schauer an und er eilte hinweg, indem er beim Fortgehen noch einen silbernen Leuchter vom Altare mit sich nahm. Zu Hause angelangt, legte er sich krank nieder und starb nach drei Tagen. Man hat später vergebens nach dem Eingange in die unterirdische Kirche gesucht. (Lechtal. Chr. Schneller.)
Quelle: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben von Ignaz Vinzenz Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 232, Seite 144.