Die weiße Schlange

In Birchetsgump hinter Steeg gab es früher so viele Schlangen, daß man fast nicht mähen und heuen konnte. Da kam ein fremder Zauberer und versprach Abhilfe, wenn keine weiße Schlange darunter sei. Man gab recht Acht, fand aber nirgends eine weiße Schlange. Da begab sich der Zauberer auf den Berg; schürte ein großes Feuer an und begann in einem Zauberbuche zu lesen. Als die erste Schlange in das Feuer schoß, hörte man von zuhinterst aus dem Orte einen grellen Pfiff. Da erblaßte der Zauberer, sagte, er sei verloren und hieß die Leute fortgehen. Sie Schlangen mußten alle in's Feuer, die letzte aber war eine weiße mit einem Krönlein auf dem Haupte und diese durchbohrte den Zauberer, ehe sie in's Feuer stürzte. (Steeg. Chr. Schneller.)

Andere melden noch, der Zauberer habe zu den Leuten gesagt: "Wenn ihr eine Schlange pfeifen hört, so lauft alsogleich davon, denn pfeifen kann nur die Schlangenkönigin und die durchbohrt jeden, den sie antrifft."

Quelle: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben von Ignaz Vinzenz Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 302, Seite 180.