Das wilde Mannl
In Navis erschien immer zur Zeit der Aussaat ein wildes Männlein und die Bauern konnten sicher darauf rechnen, daß sie, sobald es sich zeigte, aussäen und eine gute Ernte hoffen durften. In einem Jahre nun,- es grünte schon ringsherum alles in Wald und Feld, - warteten die Bauern mit Sehnsucht auf die Ankunft des wilden Männleins, und als es noch immer nicht erchien, fiengen sie endlich an, ihre Felder zu bestellen und zu säen. Als sie mitten in der Arbeit begriffen waren, erschien das Männlein; doch seine Augen funkelten vor Zorn. Es schnitt ein fürchterliches Gesicht und sagte endlich:
"Hättet's mi viel g'frogt,
Hätt' i enk viel g'sogt."
Nach dieser Rede lief es auf und davon und ward nie mehr gesehen. Die Ernte mißlang aber gänzlich, denn der Hagel zerschlug alle Früchte und es war ein Mißjahr, wie seit langer zeit keines mehr gewesen war. (Navis.)
Quelle: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben von Ignaz Vinzenz Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 100, Seite 64.