Es muß ein Vorarlberger gewesen sein
Auf heißer, staubiger Landstraße trafen sich auch einmal zwei Handwerksburschen und schlössen Freundschaft miteinander. Im nächsten Dorf suchten sie sich ein Nachtquartier. Der eine, ein Tiroler, hatte ein prächtiges Stück Schinken bei sich, um das ihn sein Begleiter schon längst beneidete. Als sie sich ins Heu legten, sagte der glückliche Schinkenbesitzer zu seinem Kameraden: „Weißt was, Bruder, ich will dir was sagen. Derjenige, der von uns beiden den gescheitesten Traum hat, dem soll der Schinken gehören.“ Dem anderen war das natürlich recht. Als sie am nächsten Morgen erwachten, fiel ihnen gleich wieder der Schinken ein und was sie ausgemacht hatten. „So einen schönen Traum, wie ich heut nacht einen gehabt hab', hat es dir dein Lebtag nie geträumt“, erzählte der Tiroler. „Ich sei, so hats mir geträumt, in einem goldenen Wagen in den Himmel hinauf gefahren; so was Prächtiges kannst dir gar nicht vorstellen.“ „Woll, woll“, meinte der andere, „i ho de sogar im Trom gseahe, wie d' im goldene Wage uf goldene Wolke dervugfahre bist und wie di am Himmelstor der heilig Petrus fründtle g'grüesst hot und in 'n Himmel ine gführt. So, jetz bhüet Gott Kamerad! Im Himmel bruchst koan Schingge meh, hon e mer denkt und ho mer di Schingge guet schmecke lo.“
Quelle: Adolf Dörler, Märchen und Schwanke aus Nordtirol und Vorarlberg, in: Zeitschrift d. Vereins f. Volkskunde 16 (1906), S. 290, Nr. 20, zit. nach Sagen aus Vorarlberg, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 246f