198. Auf dem Emser Schloß
Auf dem alten Schloß haben die Leute in früheren Zeiten allerhand Unheimliches gemerkt. Unser Vater hat dann vielmal erzählt, was er von seinem Vater gehört hat. Die haben selber auf dem vorderen Schloßhof gewohnt und grad dort ist ein recht wüster Geist gewesen, der ihnen allerhand Stückle gespielt hat. Manchmal hat er zunacht die Hennen ausgelassen oder er hat die Kühe letz an die Krippe gebunden, daß sie fast ersticken haben müssen, und hat gemacht, daß sie die Milch nicht herabgelassen haben.
Wandansicht des Innenhofes von Palast Hohenems, Westseite
Der torbogige Eingang betont die Mittelachse
Scheinarchitektur, Wappen, Musikinstumente und Kriegstropähen von Hans Noppis 1603 - 1610 gemalt
Vgl. DEHIO-Vorarlberg 1983, S. 254
© Berit Mrugalska, 16. Oktober 2005
Wenn man zunacht ins Bett ist, hat man gleich ein Laufen gehört in der Stube, als wenn eine Geiß herumträppeln tat, und wenn man dann nachschauen ist, ist es auf der Stelle still gewesen. Der Ähni und seine Geschwister haben darum von Jugend auf große Angst vor den Geistern gehabt und wenn die Eltern den Tag über auf dem Feld geschafft haben und die Goba allein daheim sein müssen haben, dann sind die Kinder, sobald es genachtet hat, in den Stall gegangen und sind zu den Kühen in die Krippe gekrochen, vor lauter Fürchten. Und wenn die Mutter heimgekommen ist, hat sie schon gewußt, wo sie die Goba suchen muß.
Wie es vielmal ist, hat auch diesen Geist nicht ein jedes gesehen. Der Ähni selber habe nie nichts gesehen, aber ein Weibsbild, das vielmal zunacht von der Buggenau heraufgekommen ist, hat den Geist manchmal auf einem Trummen sitzen sehen wie ein Reiter auf dem Roß. Sie habe dann gesagt: „Er hockt wieder als ein Reitiger draußen!"
Einen Bruder vom Ähni hat der Geist so elend geplagt, daß er am Morgen manchmal kaum aufstehen konnte. Zuletzt hat der arm Heiter so gehen müssen, als ob er vom Geist zu Boden gedrückt würde. Wenn man nicht einen Kapuziner geholt hätte, wäre er nicht einmal fünfundzwanzig Jahre alt geworden; in dem Alter ist er nämlich gestorben.
Zu denen Zeiten ist ein Geistlicher zu Ems gewesen, der eine eigene Gabe hatte, die Geister auszutreiben. Der Geistliche hat Asche gestreut und Weihwasser gespritzt und lang gebetet, bis er geschwitzt hat, daß ihm das Wasser grad heruntergeloffen ist, und danach hat er gesagt, es sei ihm zwar nicht gelungen, den Geist ganz aus dem Haus zu vertreiben, aber wenigstens habe er ihn können in einen Winkel bannen, 'dort dürfe er nie mehr heraus. Und so sei es denn auch gewesen, von dort an habe der Geist nie mehr geleidwerchet. Der Vater hat gesagt, wo er noch ein Bub gewesen sei, habe er hie und da eine Stange genommen und sei damit in dem Winkel herumgefahren und habe gesagt, er tue den Geist prügeln, der dürfe ja nicht mehr aus dem Laubschöpfle heraus und könne darum den Streichen unmöglich ausweichen.
Schmiedeeisernes Eingangstor, Palast Hohenems
© Berit Mrugalska, 16. Oktober 2005
Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 198, S. 120f