82. Der Fresser
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde der Bregenzerwald von der Pest schwer heimgesucht. Noch heute wird folgende Begebenheit erzählt: Im ehemaligen Gasthaus zur Sonne kehrte eines Vormittags ein unbekannter Mann ein. Er bestellte ein Mittagessen für zwanzig Personen. Darauf schlug er seinen Weg nach Ellenbogen ein. Zur Mittagszeit kehrte er zurück, er allein. Die Wirtsleute fragten nach den anderen Gästen. Er beruhigte sie und bat, man möge die Speisen auftragen, es werde bestimmt alles gegessen. Wirklich aß er alles restlos auf. Das schien der Wirtin nicht mehr ganz geheuer. Sie eilte zum Pfarrer und erzählte ihm von ihrem hungrigen Gast. Nach einiger Überlegung riet er ihr, für das Mahl nichts zu verlangen. Als nun der Fremde nach der Schuldigkeit fragte, sagte die Wirtin, es sei alles schon bezahlt. Freudigen Herzens dankte er den guten Wirtsleuten und versicherte sie, daß die Pest nicht mehr weiter um sich greifen werde. Dann verließ er das Gasthaus und wurde nie mehr gesehen.
Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 82, S. 65