18. Der Geisterkopf

Ein Bregenzer, der Frau Fersemeierin ihr Vater, der viel in der Welt herumgekommen war, erreichte eines Abends auf seiner Wanderschaft im Thüringischen ein Wirtshaus und verlangte dort zu übernachten. Der Wirt sah ihm an, daß er ein besserer, ordentlicher Mann war und wies ihm ein hübsches Zimmer mit einem guten Bette an. Daß ein Geist im Hause umging, sagte der Wirt seinem Gaste nicht, um ihn nicht unnötig zu ängstigen, denn er hoffte, einen braven Menschen werde der Geist sicher in Ruhe lassen. Der Mann legte sich ins Bett und schlief bald ein. Mitten in der Nacht erwachte er und sah beim Scheine des Mondes zu seinem Entsetzen einen großen Menschenkopf mit grauem Barte auf der Bettdecke liegen. Er langte nach ihm, da war er verschwunden. Gleich erschien jedoch der Kopf wieder. Abermals wollte der Mann nach ihm greifen, aber im selben Augenblick war er wieder verschwunden, und so ging's noch ein paarmal. Als die Erscheinung ausblieb, stand der Mann auf und durchsuchte das ganze Zimmer, fand aber keine Spur mehr von dem grausigen Menschenkopf. Gerne hätte nun der Mann das Haus verlassen, aber im Hausgange lag der Wirtshund, der ihn nicht hinausließ, und so blieb ihm nichts anderes übrig, als wieder in sein unheimliches Zimmer zurückzukehren. Am Morgen klagte er dem Wirte, was ihm in der Nacht begegnet war. Dieser gab ihm viel Geld und bat ihn, er solle doch nichts von dem Spuk zu den Leuten sagen, da man sich ohnehin schon sehr vor diesem Geiste fürchte.

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 18, S. 40f